Sayuri
war der verdammte Ausgang? Hatte er nicht eben mit eigenen Augen gesehen, dass es heller wurde?
Plötzlich konnte er ein Stück vor sich Thesus Stimme hören. »Kommt! So kommt doch endlich!«, schrie er atemlos und schlug mit den Händen auf die Wasseroberfläche.
Schützend hielt Kiyoshi die Lampe noch ein Stück weiter in die Höhe. »Geht es aufwärts?«, fragte er.
»Besser!«, rief Thesu zwischen zwei Schwimmzügen. »Licht!«
Der Junge stieß einen Freudenschrei aus und schwamm mit doppelter Kraft weiter, dicht gefolgt von Calion.
Auch Kiyoshi mobilisierte seine letzten Kräfte und folgte ihnen. Nach wenigen Schritten teilte sich der Weg erneut. Ein Gang, der nach oben führte, war von Tageslicht erhellt, das durch einen breiten Riss in der Decke fiel.
Sand war durch den Bodenspalt in die Tiefe gerieselt und Thesu kletterte auf dem Sandberg in die Höhe. Für einen kurzen Moment verschwand das Tageslicht, als der Junge sich durch das Loch in der Decke zwängte.
Das Mädchen und Calion hatten nun den Sandhaufen erreicht und beeilten sich, es ihm gleichzutun. Der Sand begann stärker zu rieseln, von oben rutschte immer mehr nach.
Thesus und Calions Köpfe tauchten in der Öffnung auf. »Reich mir Gara hoch!«, rief Thesu.
Kiyoshi griff der Kleinen unter die Schulter und stemmte sie in die Höhe. Er spuckte Sand, konnte kaum noch etwas sehen. Doch endlich spürte er, wie ihm das Gewicht des kleinen Mädchens abgenommen wurde.
Kiyoshi zögerte keine Sekunde. Sobald der Weg frei war, folgte er den anderen den Sandberg hinauf. Als er seinen Kopf durch den schmalen Spalt steckte, musste er seine Augen schließen. Grelles Sonnenlicht fiel auf seine Lider und die Mittagshitze der Wüste schlug ihm mit voller Wucht entgegen. Er atmete tief durch und kämpfte sich das letzte Stück an die Oberfläche.
Keinen Moment zu früh. Denn noch bevor sein Blick auf das Schlachtfeld um ihn herum fallen konnte, bevor er die Feuersbrunst sah und den Rauch roch, bevor er überhaupt begriff, was vor sich ging, wurde er schon hochgehoben. Unaufhörlich drückte das Wasser aus dem Boden – jetzt mit aller Macht.
Es blubberte und schäumte und löschte zischend die Feuer, doch auch dann stoppte es nicht.
Kiyoshi holte tief Luft, schnappte sich die kleine Gara und hielt mit ihr auf die Sanddünen zu, die um das Tal herum in die Höhe ragten.
Das wäre doch gelacht, dachte er grimmig und holte mit kräftigen Schlägen aus. Sie waren dort unten nicht verschüttet worden – und er würde auf keinen Fall zulassen, dass sie jetzt noch ertranken.
9. Kapitel
U ngläubig starrte Marje dorthin, wo sich einmal die Wüste erstreckt hatte. Alles, was sie nun sehen konnten, war eine spiegelglatte Oberfläche. »Entweder ist es eine Fata Morgana oder hier ist gerade ein Wunder geschehen«, murmelte Milan neben ihr.
Selbst Suieen und Yuuka schauten sprachlos auf das Wüstental, das sich innerhalb weniger Minuten mehrere Schritte hoch mit Wasser gefüllt hatte. Marje ließ ihren Blick über den See gleiten. Wo mochte all das Wasser nur hergekommen sein? Die Fluten hatten das Feuer schnell gelöscht. Am sandigen Ufer saßen zusammengekauert und erschöpft die Sklaven der Söldner. Wie sich herausgestellt hatte, konnten die Essjiar nicht schwimmen. Einige hatten sich ans Ufer gerettet und waren in die Wüste geflohen, aber die meisten waren wie ihre Reiter ertrunken.
Als das Wasser aus dem Boden gequollen war, hatte Marje panisch auf Milan geschaut. Doch noch bevor sie hätte um Hilfe rufen können, war Yuuka bei ihm gewesen. Die Raubkatze hatte ihren Bruder vorsichtig mit ihrem Maul gepackt, war mit ihm ein Stück durch das Wasser geschwommen und anschließend den Hang hinaufgelaufen.
Mit Suieen und Thalion an ihrer Seite war Marje ihnen hinterhergeschwommen. Obwohl sie schnell waren, erschien es ihr wie eine Ewigkeit, ehe sie das trockene Ufer endlich erreicht hatten.
Marje hatte noch die Todesschreie der Essjiar in den Ohren, ein hoher kreischender Laut, gemischt mit den Rufen von Söldnern und Arbeitern. Bei der Erinnerung überlief sie erneut eine Gänsehaut.
Vorsichtig berührte Milan ihre Schulter und zog sie an sich, das Gesicht in ihren nassen Haaren vergraben.
Erschöpft ließ sie sich gegen ihn sinken und legte ihre Hand auf seine, wobei sie ihn mit seinem Ring, den sie noch immer am Daumen trug, berührte.
»Wo hast du den denn her?«, fragte er leise.
Marje schluckte. Sie wollte antworten, aber ihr Mund war auf einmal
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