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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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ganz trocken. Stumm schüttelte sie den Kopf. Kiyoshi, hatte sie sagen wollen. Aber das Wort wollte ihr nicht über die Lippen kommen.
    Bei Lauryn, sie hatte es so sehr gewollt, mit aller Macht ihres Wesens hatte sie es sich gewünscht, ihn retten zu können. Aber es hatte nichts genutzt. Vermutlich war er mit den anderen in der Mine gewesen. Wenn er nicht verschüttet worden war, musste er ertrunken sein.
    Der Gedanke, ihn niemals wiederzusehen, versetzte Marje einen schmerzvollen Stich und sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Die Sonne spiegelte sich auf der blauen Oberfläche des Sees und es schien fast, als würden unzählige kleine Irrlichter auf dem Wasser in strahlend klaren Farben schwimmen.
    »Du weinst ja.« Milans besorgte Stimme ließ sie zusammenzucken.
    Zornig wischte Marje sich die Tränen aus den Augen. »Das sind nur ein paar Sandkörner«, widersprach sie schwach und war erleichtert, als Milan schwieg.
    Ein dumpfes Stampfen lenkte sie ab. Doch es waren nur die verbliebenen Lasttiere der Söldner, die auf der Flucht in die offenen Weiten der Wüste ihrer Freiheit entgegenstrebten.
    »Weshalb bist du hier?«, fragte Milan sie leise.
    Marje schüttelte den Kopf. »Weshalb bist du hier?«, fragte sie zurück. Ihre Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Sie hatte so sehr um Milan getrauert – als Kiyoshi noch bei ihr gewesen war. Und nun war es umgekehrt. Welche Ironie des Schicksals! »Wie … wie hast du es geschafft zu überleben? Was ist mit Ruan?«
    Milan verzog den Mund. »Die anderen sind alle tot«, antwortete er leise und vergrub wieder sein Gesicht in ihren Haaren, die Stirn an ihren Hals gelehnt.
    Marje schüttelte den Kopf. »Aber man hat euch in den Fluss geworfen. Sayuri hat es erzählt. In den Schlund, der die Welt verschlingt.«
    Milan wiegte den Kopf. »Wir sind nicht in den Fluss geworfen worden«, sagte er und ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Wir sind gesprungen. Wir hatten gehofft, dass es einen Unterschied macht.«
    Er lehnte sich ein Stück zurück. »Du musst wissen«, erklärte er leise, »dass der Shanu nicht einfach irgendwo im Boden verschwindet, er fließt unterirdisch weiter, aus der Stadt hinaus nach Norden, bis er in einem See endet, tief unter der Wüste.«
    Marje ließ ihn nicht aus den Augen. »Woher wusstest du das?«
    »Ich wusste es nicht. Aber es gingen Gerüchte um – Gerüchte von Hingerichteten, die Wochen später in der Wüste aufgefunden wurden.«
    Milan schaute Marje in die Augen. »Der Fluss hat mich in die Tiefe gerissen. Seine Strömung hat mich unter Wasser gedrückt, bis ich glaubte, dass meine Lungen platzen würden. Doch auf einmal wurde ich an die Oberfläche gespült und konnte wieder atmen. Ich weiß nicht, wie lange ich mich habe treiben lassen, es kam mir vor, als wären es Ewigkeiten gewesen. Und irgendwann – irgendwann wurde ich schließlich ans Ufer gespült.«
    Marje drückte Milans Hand. Sie konnte es sich nicht vorstellen, wie es sein musste, der unbändigen Kraft des Wassers derart ausgeliefert zu sein.
    »Als ich die Augen aufschlug, waren überall um mich herum Söldner. Ich hatte keine Chance gegen sie.« Milan lachte bitter auf. »Wenig später hab ich mich verflucht, dass ich mir überhaupt die Mühe gemacht habe.« Er schüttelte den Kopf. »Ich war direkt unter der Mine gelandet. Das ist das Geheimnis, warum die Söldner hier draußen überleben können. Der Shanu fließt bis hierher. Die Söldner haben ihr Wasser aus dem unterirdischen See geschöpft.«
    Nur langsam drangen die Worte zu Marje durch. Der Shanu floss direkt unter die Mine? Aber das hieße, dass das Wasser die Stadt verließ, frei und ungehindert, vielleicht sogar unbeeinflusst von den Kräften des Kaisers!
    »Seht, wir bekommen Besuch«, knurrte da plötzlich eine Stimme neben ihr. Yuuka hatte sich aufgerichtet und spähte über ihre Schulter.
    Schützend legte Marje eine Hand über ihre Augen, um besser sehen zu können. Blinzelnd erkannte sie Reiter, die vor die tief stehende Sonne am Dünenkamm traten. Nein, das waren keine Reiter! Es waren Zentauren!
    Fragend schaute Milan auf.
    »Zentauren«, murmelte Suieen leise. »Wir sollten sie begrüßen.«
    Die Zentauren hatten sich aufgeteilt und umkreisten die Wasserfläche. Ein Irrlichtschwarm folgte ihnen und hüllte das Tal in gleißendes Licht, dann lösten sie sich von ihren Gefährten und sirrten auf den See hinaus, scheinbar von ihren eigenen Spiegelbildern

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