Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
denken.
Ich möchte nur Caterina helfen, ihren Traum zu verwirklichen. Einen Traum, den sie nicht einmal sich selbst eingesteht. Obwohl es mittlerweile die ganze Klasse mitbekommen hat.
Als es zur Pause läutet, sehe ich meine Freundinnen mit Unschuldsmiene an. »Ich muss in die Bibliothek. Ich habe Edoardo versprochen, ihm zu helfen.«
»Sogar in der Pause? Langsam scheint er deine Hilfsbereitschaft aber ein wenig auszunutzen.«
»Nein, nein, das ist meine Schuld, ich habe eine Arbeit halbfertig liegen lassen. Außerdem ist das keine Arbeit für mich, ich liebe Bücher!«
»Ein wenig zu sehr für meinen Geschmack. Wie du willst … Aber mach schnell, dann treffen wir uns bei den Automaten. Bei diesem Sauwetter können wir ja nicht zu Großmutter Eiche«, seufzt Genziana.
Wie ich es hasse, meine Freundinnen anzulügen! Ich schaue in den wolkenverhangenen Himmel. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen, aber der Park wird ein einziger Morast sein. Ich hoffe nur, dass ich mich nicht allzu schmutzig mache. Die kleine Bank, die von den Rosenranken halb verborgen wird, schien mir der einzige Ort zu sein, an dem ich mit Umberto ungesehen reden kann. Ich nehme all meinen Mut zusammen und ignoriere das ungute Gefühl in meinem Magen.
Es ist kühl draußen, ich wickele mich in mein gefüttertes Sweatshirt und ziehe die Kapuze über den Kopf. Jetzt fühle ich mich sicher. Mein geliebtes schwarzes Sweatshirt mit den weichen aufgenähten Katzenohren oben auf der Kapuze. Wenn ich mir die überstreife, verwandele ich mich.
Ich laufe auf Zehenspitzen und sehe auf den Boden, um den Pfützen auszuweichen. Als ich an unserem geheimen Treffpunkt ankomme, ist Umberto bereits dort. Er schaut mich erwartungsvoll an. Erst jetzt wird mir klar, dass er den Grund für meine Verabredung missverstanden haben könnte. Und plötzlich halte ich meine Idee nicht mehr für so toll.
»Du siehst schön aus! Wie eine kleine Katze mit riesigen grauen Augen!«
Ich tue so, als hätte ich sein Kompliment nicht gehört. »Danke, dass du gekommen bist, trotz des Mistwetters.«
»Daran siehst du, wie viel mir an dir liegt.« Er lächelt und kommt näher. In seinem Gesicht steht in riesigen Buchstaben das Wort Hoffnung . Umberto ist wirklich ein gutaussehender, intelligenter und witziger Typ. Außerdem ist er nicht so langweilig wie Lorenzo, der nur über Fußball und die Motorrad-WM spricht. Er ist gebildet … und sein Vater ist Konditor! Und doch empfinde ich nichts, als ich hier neben ihm stehe. Bei Mikael hat ein Blick genügt, und ich bin dahingeschmolzen, überwältigt von Gefühlen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie empfinden kann.
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Ich habe lange darüber nachgedacht, und es scheint mir die beste Lösung.« Die Worte bleiben mir im Hals stecken. Ich höre leises Gemurmel und erkenne Genzianas Stimme.
»Das kann nicht sein! Scarlett ist in der Bibliothek. Du und deine Freundinnen müsst euch einfach immer was aus den Fingern saugen.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, wie sie sich mit Umberto verabredet hat. Sie hat ihm in der Pause einen Zettel zugesteckt. Eure Freundin ist eine falsche Schlange, das werdet ihr noch merken.« Unwillkürlich ziehe ich mir die Kapuze vom Kopf. Ich habe Sofias schrille Stimme erkannt.
»Ihr werdet mir ein Paar neue Schuhe bezahlen müssen. Das ist doch völlig idiotisch, hier so durch den Matsch zu stapfen!« Die Stimmen kommen immer näher.
»Das stimmt, Genziana. Kehren wir um. Wir müssen nicht bis dort hinten gehen, um zu sehen, dass alles bloß dummes Geschwätz war.« Caterina ist auch da! Oh mein Gott, ich sterbe vor Angst. Was kann ich jetzt tun? Ich würde am liebsten verschwinden. Und wenn ich einfach losrenne? Sie würden mich sehen!
»Keine Sorge, Scarlett. Wir tun nichts Unrechtes. Und außerdem bin ich Lavinia keine Erklärung schuldig. Wir haben schon vor einer Ewigkeit Schluss gemacht, und ich kann mich treffen, mit wem ich will«, versucht Umberto, mich zu beruhigen.
»Das kannst du nicht verstehen. Wegen Lavinia mache ich mir keine Sorgen.«
Als sie vor mir stehen, lese ich in ihren Augen eine ebenso tiefe wie herzzerreißende Enttäuschung. Genziana fasst sich als Erste. »Das glaub ich jetzt nicht …«
»Seht ihr?« Lavinia sieht mich verächtlich an.
Aber nicht ihre Worte treffen mich, sondern das Schluchzen, das plötzlich zu hören ist. Schrecklich, genau wie der Schmerz, der sich
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