Scarpetta Factor - Thriller
Krawatten. Die blauen Leute, die logen, bis sie blau im Gesicht waren. Beim FBI wimmelte es nur so von blauen Republikanern. Es war schon immer eine ultrakonservative Behörde gewesen. Kein Wunder, dass Lucy vergrault worden war. Benton war ein unabhängiger Mensch. Er ließ sich nicht mehr von einer Organisation vereinnahmen.
»Haben Sie noch Fragen, bevor wir uns mit den anderen treffen?« Lanier blieb vor einer beigen Metalltür stehen. Als sie einen Code in ein Tastenfeld eintippte, klickte das Schloss.
»Wie ich annehme, erwarten Sie von mir, dass ich Detective Marino erkläre, warum er ursprünglich hätte dabei sein sollen und weshalb wir hier dennoch eine Sitzung abhalten, von der er nichts weiß.« Inzwischen kochte er vor Wut.
»Sie haben eine langjährige Beziehung zu Peter Rocco Marino.« Es klang seltsam, dass sie seinen vollen Namen aussprach. Lanier eilte weiter. Wieder ein Flur, diesmal noch länger. Benton konnte seinen Zorn kaum noch zügeln.
»Sie haben in den Neunzigern, als Sie Leiter der Abteilung Verhaltensforschung waren, in einigen Fällen mit ihm zusammengearbeitet«, sprach sie weiter. »Dann brach Ihre Karriere ab. Ich vermute, Sie kennen die Nachrichten.« Beim Gehen sahsie ihn nicht an. »Warner Agee. Ich bin ihm nie begegnet, obwohl wir uns eine Weile für ihn interessiert haben.«
Benton blieb stehen. Sie standen allein in der Mitte eines endlosen kahlen Korridors mit eintönigen schmutzig beigen Wänden und abgestoßenen grauen Fliesen. Unpersönlich, typisch Behörde. Absichtlich ausdruckslos, phantasielos und gesichtslos gehalten. Benton legte Lanier die Hand auf die Schulter und war ein wenig überrascht, wie muskulös sie war. Sie war zierlich, aber kräftig, und als sie ihn anblickte, malte sich ein fragender Ausdruck in ihren Augen.
»Ich lasse mich von Ihnen nicht verarschen«, sagte er.
Ihre Augen funkelten hart wie Metall. »Fassen Sie mich bitte nicht an«, entgegnete sie.
Benton nahm die Hand weg und wiederholte den Satz leise und tonlos. »Ich lasse mich von Ihnen nicht verarschen, Marty.«
Sie verschränkte die Arme und starrte ihn ein wenig trotzig, allerdings furchtlos an.
»Auch wenn Sie einer neuen Generation angehören und bis über beide Ohren mit Informationen vollgestopft sind, werden Sie mehr als zehn Leben brauchen, bis Sie sich so gut in diesem Geschäft auskennen wie ich«, fügte er hinzu.
»Niemand zweifelt an Ihrer Erfahrung und Ihren Fachkenntnissen, Benton.«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine, Marty. Sie können mich nicht herbeipfeifen wie einen dressierten Hund und mich dann zu einer Sitzung schleppen, um allen die Kunststückchen zu zeigen, die das FBI mir im Mittelalter beigebracht hat. Beim FBI habe ich rein gar nichts gelernt, sondern mir alles selbst angeeignet. Sie haben ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe und warum. Und auch nicht, wer sie sind.«
» Wer sie sind?« Sie wirkte völlig unbeeindruckt.
»Die Leute, mit denen Warner unter einer Decke gesteckthat. Darauf wollen Sie doch hinaus, oder? Warner hat sich farblich an seine Umgebung angepasst wie eine Motte. Nach einer Weile kann man Lebewesen wie ihn nicht mehr von dem schmutzigen Mauerwerk unterscheiden, an das sie sich klammern. Der Mann war ein Parasit mit einer gesellschaftsfeindlichen Persönlichkeitsstörung. Ein Soziopath und ein Psychopath, oder wie Sie solche Ungeheuer heutzutage sonst nennen. Und dabei war ich schon fast dabei, Mitleid mit diesem tauben Mistkerl zu bekommen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete sie. »Nicht nach dem, was er getan hat.«
Darauf war Benton nicht vorbereitet.
»Ich möchte nur noch hinzufügen, dass wir uns jede Menge Sorgen machen müssten, wenn Warner Agee nicht alles verloren hätte«, fuhr sie fort. »Und das bedeutet, nicht nur finanziell. Er war völlig entgleist, hatte sich nicht mehr im Griff und war verzweifelt. Dass Carley Crispin ihm das Hotelzimmer bezahlt hat, hatte einfach nur praktische Gründe. Agee besaß keine Kreditkarten. Sie waren alle abgelaufen. Er war mittellos und hat Carley das Geld entweder in bar zurückerstattet oder war ihr anderweitig zu Diensten. Offen gestanden zweifle ich übrigens daran, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat. Ihr ging es nur um den Fortbestand ihrer Sendung.«
»Er hat sich mit den falschen Leuten eingelassen.« Das war keine Frage.
»Ich habe den Eindruck, dass Sie gut im Bilde sind. Finde die richtigen Schwachpunkte. Dann kann man auch einen Gegner
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