Scarpetta Factor
gefährlichen psychopathischen Sexualtäter ermordet worden sein, der vielleicht ein New Yorker Taxifahrer ist, während die Stadtverwaltung die Angelegenheit unter Verschluss hält, um die Touristen nicht abzuschrecken. Ja, Sie haben richtig gehört, die Touristen.«
»Carley, die Sendezeit ist um!«, rief ein Kameramann.
»Haben wir den letzten Satz mit dem Tourismus noch untergebracht? Ich hätte diese Frau schneller abwürgen sollen«, sagte Carley in die dunkle Kulisse hinein.
Schweigen. »Ja, haben wir«, erwiderte der Mann schließlich. »Ein echter Aufreißer, Carley.«
»Tja, dann müssten die Telefone morgen heißlaufen«, sagte Carley zu Scarpetta. »Vielen, vielen Dank. Es war eine tolle Sendung, finden Sie nicht?«
»Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung.« Scarpetta entfernte ihren Ohrhörer.
»Ich habe Sie nicht nach Hannah oder Toni gefragt, sondern nur Äußerungen in den Raum gestellt. Sie brauchten auf nichts zu antworten, was Sie nicht wollten, und Sie haben sich ausgezeichnet geschlagen. Warum kommen Sie morgen Abend nicht wieder? Dann habe ich Sie und Warner als Gäste. Ich werde ihn bitten, ein Profil des Taxifahrers zu erstellen«, sagte Carley.
»Auf Grundlage welcher Tatsachen?«, entgegnete Scarpetta verärgert. »Vermutlich wird eine veraltete, auf Anekdoten basierende Theorie dabei herauskommen, die mit empirischer Forschung nicht das Geringste zu tun hat. Falls die Informationen, die Sie soeben preisgegeben haben, von Warner Agee stammen, haben Sie ein Problem. Überlegen Sie doch selbst. Wo soll er sie denn herhaben? Er ist nicht im Entferntesten an den Ermittlungen beteiligt. Und nur damit Sie es wissen: Er war niemals Profiler beim FBI.«
Scarpetta nahm ihr Mikrophon ab, stand auf, stieg über Kabel hinweg und verließ allein das Studio. Draußen im grell erleuchteten langen Flur kam sie an Plakaten vorbei, die Wolf Blitzer, Nancy Grace, Anderson Cooper und Candy Crowley zeigten. Zu ihrer Überraschung saß Alex Bachta auf dem hohen Drehstuhl in der Maske. Er starrte stumpf in einen Fernseher mit leise gestelltem Ton und telefonierte gleichzeitig. Scarpetta nahm ihren Mantel von einem Kleiderbügel im Wandschrank.
»... nicht dass ich daran gezweifelt hätte, aber ich stimme zu. Es ist nicht mehr rückgängig zu machen. Wir können uns so etwas nicht ... Ich weiß, ich weiß«, meinte Alex zu seinem Gesprächspartner. »Ich muss Schluss machen.«
In seinem zerknitterten Hemd mit Krawatte sah er ernst und erschöpft aus. Scarpetta stellte fest, dass sein ordentlich gestutzter Bart immer grauer wurde. Außerdem hatte er geschwollene Tränensäcke. Alles Folgen dessen, wenn man zu viel Zeit in Carleys Nähe verbrachte.
»Laden Sie mich nicht mehr ein«, wandte sich Scarpetta an ihn.
Alex bedeutete ihr, die Tür zu schließen, während am Telefon Lämpchen zu blinken begannen.
»Ich kündige«, fügte sie hinzu.
»Überstürzen Sie nichts. Nehmen Sie doch Platz.«
»Sie haben gegen die Vertragsbedingungen verstoßen. Und, was noch schlimmer ist, Sie haben mein Vertrauen missbraucht, Alex. Wo zum Teufel haben Sie das Foto vom Fundort her?«
»Carley erledigt ihre Recherchen selbst. Ich hatte nichts damit zu tun. Wir hatten keine Ahnung, dass sie über gelbe Taxis und sichergestellte Haare schwadronieren würde. Ein schöner Schlamassel. Hoffentlich ist es wahr. Es wird riesige Schlagzeilen machen, was natürlich kein Nachteil ist. Allerdings nur, wenn es auch stimmt.«
»Sie hoffen allen Ernstes, dass ein Serienmörder in einem gelben Taxi in der Stadt herumfährt?«
»Herrje, so habe ich es nicht gemeint, Kay. Sie hat in ein Wespennest gestochen. Die Telefone stehen nicht still. Der stellvertretende Leiter der Presseabteilung des NYPD streitet alles ab. Und zwar kategorisch. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Behauptung, man habe verwesende Kopfhaare von Hannah Starr gefunden, um unbewiesenen und absoluten Schwachsinn. Hat er recht?«
»Ich habe nicht vor, Ihnen aus der Patsche zu helfen.«
»Zum Teufel mit dieser Carley! Sie ist so verdammt neidisch auf Nancy Grace, Bill Kurtis und Dominick Dunne. Ich möchte ihr geraten haben, dass sie ihre Äußerungen auch beweisen kann, denn uns sitzen alle möglichen Leute im Nacken. Nicht auszudenken, was morgen hier los sein wird. Allerdings ist die Taxi-Theorie ziemlich interessant, denn die New Yorker Polizei will sie weder verwerfen noch bestätigen. Was halten Sie davon?«
»Ich werde mich nicht damit
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