Scarred Heart (German Edition)
Stadtkern, waren nun in eine m der Industrieviertel angelangt. Marius kannte sich hier nicht aus. Wie auch?
Marek legte seine Hand wieder ans Lenkrad, setzte den Blinker und bog auf den Parkplatz vor einer Lagerhalle ein. Da standen schon unzähli ge Autos. Suchend um sich blickend fuhr Marek über den Platz, denn er wollte in der Nähe des Eingangs parken. Er hatte Glück und fand einen, der gerade frei wurde.
Marius sah sich um und sank immer tiefer in den Sitz. Menschen! Viel zu viele Menschen! Am liebsten wäre er geflüchtet, aber sie waren weit entfernt vom Stadtkern, er kannte sich nicht aus und Geld hatte er auch nicht einstecken. Seine Atmung wurde schneller, heftiger. Was dachte sich Marek nur? Er würde ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen, wenn sie wieder daheim waren.
Die Tür wurde aufgerissen und Marek beugte sich zu Marius hinunter. Er griff über ihn hinweg, löste den Gurt, packte den Bruder am Oberarm und zog ihn aus dem Wagen.
„Atme! Du schaffst das. Ich bin immer in deiner Nähe!“ , hauchte er dem heftig keuchenden Marius ins Ohr. Marius folgte den Anweisungen, nahm tiefe Atemzüge, schloss die Augen, blendete alles um sich herum aus. Es funktionierte. Er wurde ruhiger, die Panik legte sich langsam, blieb aber als Hintergrundmurmeln in seinem Kopf, bereit, jederzeit wieder nach vorne zu springen und die Kontrolle zu übernehmen.
Marius öffnete die Augen, sah seinen Bruder an, nickte diesem zu und drehte sich in Richtung Club-Eingang. Er straffte die Schultern, sog noch einmal tief Luft in seine Lungen. Marek hakte ihn unter , und gemeinsam betraten sie den Club.
2
Die Musik hämmerte durch die riesige Halle, halbnackte Männer tanzten in der Mitte des Gebäudes sich die Seelen aus dem Leib. Am Rande standen Tische, Stühle, auch Gruppierungen von Sofas und Sesseln waren auszumachen. Links und rechts standen lange Bars, an denen sich die Männer gegenseitig auf die Füße traten. Am Ende der Halle gab es eine Art Bühne, wo der DJ thronte und den Leuten einheizte. Das Ganze war hauptsächlich in Schwarz und Rot gehalten.
Marius sah sich mit großen Augen um. Marek hatte ihn in einen Schwulen-Club gebracht. Er, der Hetero, traute sich seinem Bruder zuliebe hierher. Nur Marek wusste, dass der kleine Bruder am eigenen Ufer fischte. Gefischt hatte, bis zu jenem Tag, an dem sich alles veränderte und Marius sich von der Welt zurückzog.
Marek bugsierte seinen Bruder am Rande der Tanzfläche in Richtung Bar, hielt dabei dessen Handgelenk umklammert. Komische Blicke begleiteten die Brüder, so mancher wandte sich angeekelt ab. Marius entging das nicht. Verschämt senkte er den Kopf, den Blick auf den Boden gerichtet. Er wollte die Flucht antreten, doch Marek schien es zu spüren, packte noch fester zu. An der Bar stoppten sie, Marek bestellte eine Flasche Bier und eine Cola, dann zog er seinen kleinen Bruder in Richtung Sessel, die etwas abseits im Eck standen, wo es dunkler war als im Rest der Halle.
Dankbar ließ Marius sich in den Sessel fallen, der am wenigsten Licht abbekam. Den Kopf hielt er gesenkt, die schwarzen Haare –die Kinn lang waren- fielen ihm ins Gesicht, verdeckten einen Großteil der Narben. Er nuckelte nervös an seiner Bierflasche und linste immer mal wieder in Richtung Tanzfläche. Früher hätte er sich ohne Bedenken mitten unter die Tanzenden gemischt und es sich gut gehen lassen. Unbewusst tippte er mit dem Fuß den Takt der Musik mit.
Marek sah sich interessiert um, nippte an der Cola, wendete sich dann seinem Bruder zu: „Hätte nicht gedacht, dass hier so viel los ist!“, und widmete sich wieder der Betrachtung der Tanzenden.
Marius nickte, obwohl Marek es nicht sehen konnte, und verkroch sich tiefer in den Sessel. Sein Blick glitt immer wieder zu den leicht bekleideten, mit Schweiß überzogenen Leibern auf der Tanzfläche. Sehnsüchtig starrte er dorthin, wo er früher auch gewesen war. Mit aller Macht kam die Leere in ihm zurück, sein Herz blutete und seine Seele schrie gequält auf.
Marek hatte es gut gemeint, aber hier, im Schatten, den Blick auf die makellosen Männer geheftet, wurde ihm erst richtig klar, was er alles verloren hatte. Was er nie wieder haben würde.
H astig setzte Marius die Bierflasche an und trank sie in einem Zug leer. Das Bier schmeckte schal, es hätte aber auch Wasser sein können, er hätte es nicht gemerkt.
Marius bemerkte, das so manches Pärchen sich fand und in einem dunklen Gang verschwand, nur um irgendwann
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