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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht.«
    »Hast wohl etwas Feineres?«
    »Möglich! Die Zingaritta raucht ein Kraut, welches nur Fürsten bezahlen können.«
    »Oh! Woher beziehst Du es?«
    »Es kommt aus dem Morgenlande und wächst zwischen den heimathlichen Bergen der Boinjaaren. Dort an den Abhängen des Pandjköra gehen die Jungfrauen, wenn der Mond das Herz des Krautes bestrahlt, beim Sternenscheine hinaus auf das Feld, um mit zarten Händen die Herzblätter einzusammeln, die man dann am großen Tage der Göttin zum Tempel bringt, damit der Geist der Zukunft auf sie niedersteige. Wer dann die Düfte dieses Krautes trinkt, über den kommt die Gabe der Weissagung, daß er die Sprache der Sterne versteht und weiß, was die Linien der Hand bedeuten.«
    »Rauchtest Du das Kraut auch als Mädchen?«
    »Nein.«
    »Aber Du hattest doch die Gabe der Weissagung reichlicher als alle die Deinen!«
    »Ich hatte der Gaben noch mehrere,« antwortete sie ausweichend und mit düsterer Miene; »sie sind verschwunden, und mit ihnen ist hin die Jugend und das Glück. Zarba säete Liebe und erntete Haß, sie gab Glück und Seligkeit und nahm Spott und Verachtung dafür hin. Ihr Lachen hat sich in Weinen verkehrt, ihre Liebe ist zur Rache geworden; ihr Himmel heißt Hölle, ihr Segen wurde Fluch, und ihre Schritte verklingen im tiefsten Schatten der Nacht. Im Dunkel ihres Lebens leuchtet nur ein Licht, der Stern der Rache und der Vergeltung.«
    »Das klingt schlimm, Zarba, so schlimm und traurig, als hättest Du keine Freunde, welche Deiner in Liebe gedenken!«
    »Freunde? Wo sind sie, und wie heißen ihre Namen?«
    »Denkst Du nicht an uns?«
    »An Euch? Seid Ihr meine Freunde?«
    Ihr Auge funkelte unter den tiefen Höhlen hervor, und ihr Angesicht nahm den finstersten Ausdruck an, der ihr möglich war.
    »Meinst Du vielleicht das Gegentheil?«
    Sie schwieg eine Weile; dann entgegnete sie:
    »Der Sohn dieser Erde spricht von Liebe; er glaubt an sie und opfert ihr sein Leben, und doch ist sie ein Gespenst, welches schrecklich anzuschauen ist, wenn sie die gleißende Hülle von sich wirft, denn ihr Name heißt – Selbstsucht. Euer Gott schuf und liebt die Menschen, um von ihnen angebetet zu werden; die Erde liebt die Sonne, weil sie sich an ihren Strahlen wärmt; das Kind liebt die Eltern, weil es von ihnen Alles empfängt, was es bedarf; die Eltern lieben das Kind, weil es Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blute ist; der Gatte liebt die Gattin, weil er durch sie glücklich werden will, und der Freund liebt den Freund, weil er seiner bedarf. O, ich kenne Eure Liebe, ich kenne Eure Hingebung, Eure Opferfreudigkeit! Eure Liebe hat mir das Herz aus dem Leibe gerissen, ich aber habe ihr den Schleier zerfetzt, hinter welchem sie ihr häßliches Angesicht verbirgt!«
    »Zarba, Du hast nicht – –«
    »Seid still! Ihr seid ein Mann und – ein Christ, und – ich hasse Beide!«
    »Willst Du unsere heilige Religion schmähen, Zarba?«
    »Schmähen? Nein – aber den Vorhang will ich heben, hinter welchem sie sich verbirgt. Was ist die Liebe, von welcher Euch gepredigt wird? Feindseliger Haß und tödtliche Selbstsucht. Wer nicht an Eure Satzung glaubt, wird verdammt. Was ist Eure Inquisition? Was ist Eure Mission? Auf blutigem Bahrtuche tragt Ihr Euren Glauben von Land zu Land, von Volk zu Volk; Ihr nehmt den Nationen das Hirn aus dem Kopfe und das Mark aus den Knochen, und doch – geht zu Denen, welche Ihr Heiden nennt, und seht, wo die Sünde ärger und raffinirter wüthet, bei ihnen oder bei Euch! Liebe? Ich kenne sie nicht, aber den Haß, die Vergeltung, die Rache kenne ich. Ihr handelt nach gleißnerischen Sätzen, welche feig und lügnerisch sind, uns aber lehrt Bhowannie, dasselbe zu thun, was an uns gethan wird; sie ist die unerbittliche Göttin der Rache, und ihr diene ich, so lange noch eine Faser an meinem Leibe ist!«
    Der Schmied schwieg. Er hatte das Gefühl, als sei dies das Beste, was er jetzt thun könne. Nach einer Pause fuhr die Zigeunerin fort: »Doch unsere Gottheit ist gerecht; sie vergilt auch das Gute, obgleich es niemals aus Liebe, sondern aus Eigennutz geschieht. Brandauer, erinnert Ihr Euch des Tages, an welchem die Zigeunerin Zarba aufgegriffen wurde und als Hexe in das Wasser geworfen werden sollte?«
    Er nickte zustimmend mit dem Kopfe.
    »Sie wäre sicher ersäuft worden, obgleich sie jung und schön war wie keine Eures Volkes. Da aber drängte sich ein starker Mann durch die Menge, faßte sie und sprang mit ihr in einen Kahn

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