Scepter und Hammer
Erstes Kapitel
Die Zigeunerin
Auf der breiten Chaussee, welche durch das Dorf nach der Residenz führte, schritt ein junger Mann dahin.
Er mochte kaum mehr als zweiundzwanzig Jahre zählen, obgleich über seinem ganzen Wesen der Ausdruck des Charaktervollen, des innerlich und äußerlich Vollendeten lag. Seine hohe, kräftige Gestalt, die elegante Sicherheit seiner Bewegungen, die männlich schönen Züge seines von der Röthe der Gesundheit überhauchten Angesichtes konnten gewiß nur einen angenehmen Eindruck hervorbringen, und selbst das kleine, wohlgepflegte Bärtchen, welches seine vollen Lippen beschattete und in jedem anderen Antlitze stutzerhaft erschienen wäre, schien hier zur Gesammtwirkung unbedingt nothwendig zu sein. Er trug einen feinen, gewiß von einem besseren Tailleur gefertigten Promenadenanzug, und der goldene Zwicker, welcher den Blick seines Auges verschärfte, hatte seinen Sitz sicher nicht durch die schädliche Mode erhalten, durch das Tragen von Augengläsern ein vornehmes oder gelehrtes Aussehen zu gewinnen.
Zu beiden Seiten reihte sich, hinter schattigen Vorgärten halb verborgen oder anspruchsvoll bis an die Straße tretend, Villa an Villa. Zwischen zweien derselben lag, frappant von ihrer Architektonik abstoßend, ein kleines einstöckiges, schwarz geräuchertes Häuschen, durch den hohen Schornstein, das über der Thür angebrachte Wetterdach und mehrere umherliegende, der Reparatur harrende Geräthschaften deutlich als Schmiede bezeichnet.
Vor derselben hielt in diesem Augenblicke ein leichter Wagen. Es fehlte ihm der Kutscherbock; er mußte also wohl aus dem Fond gelenkt werden, und dies war heut jedenfalls nicht ganz fehlerlos geschehen, denn es zeigte sich die hintere Achse zerbrochen, und ein reich gallonirter Diener stand zu Häupten des dampfenden Gespannes, äußerst bemüht, dasselbe zu beruhigen. Die Insassen waren ausgestiegen. Es war nur ein Herr und eine Dame. Der Erstere trug Generalsuniform, obgleich er kaum das fünfundzwanzigste Jahr zurückgelegt haben konnte. Er hatte jenes Exterieur an sich, welches man sich nur in den höheren Kreisen anzueignen vermag, und schon der erste Blick auf ihn ließ erkennen, daß Stolz und Hochmuth bei ihm zu einer bedeutenden Entwicklung gelangt seien. Die Dame trug sich ganz nach dem Schnitte der
grande monde;
sie zählte vielleicht siebzehn, zeigte aber die sichere Tournure höherer Jahre. Ihre noch kindlichen, weichen und sympathischen Züge ließen errathen, daß die liebliche Knospe sich in wenig Zeit zu einer Rose von vollendeter Schönheit entfalten werde, zu einer Rose, nach welcher wohl nicht Jeder wagen durfte die begehrende Hand auszustrecken. Ihre Wangen waren jetzt bleich, jedenfalls eine Folge des gehabten Schreckes; in ihrem großen, blauen Auge schimmerte es noch ängstlich feucht, aber ihre goldene Stimme klang mild und ruhig:
»Keine Sorge, Durchlaucht! Ich wußte mich mitten in der Gefahr unter dem starken Schutze eines Ritters, dessen ausgezeichneter Rang ja schon genügt, das höchste Vertrauen zu beanspruchen.«
Der General verbeugte sich dankend, aber sein Blick ruht unklar und forschend auf ihrem Angesichte. War es Wahrheit, was sie sagte, oder hatte sie sich trotz ihrer Jugend schon jene feine Schärfe angeeignet, welcher es leicht wird, den Verweis nur für die Ahnung auszusprechen? Sie sah ihm so offen in das vornehm blasirte Gesicht, und doch spielte ein Lächeln um ihren kleinen Mund, welches er fast geneigt war ironisch oder gar sarkastisch zu nennen. Er entschloß sich zu einer weiteren Vertheidigung:
»Ein ächter Ritter, auf sich selbst angewiesen, wird stets ohne Furcht und Tadel sein; hat er aber mit den Eigenschaften unvernünftiger und schlecht erzogener Wesen, wie diese beiden Rappen sind, zu rechnen, so kann er allerdings in die höchst fatale Lage kommen, auf Verzeihung rechnen zu müssen.«
»Excellenz haben jedenfalls ein kompetenteres Urtheil als mein Stallmeister, welcher allerdings behauptet, daß die Rappen eine ausgezeichnete Schule besitzen. Jedenfalls fürchtete er dieses Urtheil, als er bat, einen anderen Wagen zu nehmen und ihm die Führung desselben zu überlassen. Uebrigens war das Intermezzo mehr amüsant als gefährlich, und selbst die Fatalität, den Schmied nicht anwesend zu finden, hat die angenehme Folge, mich auf eine verlängerte Frist auf die Dienste meines edlen Ritters angewiesen zu sehen.«
Wieder hatte sein Auge jenen forschenden, beinahe stechenden Blick wie
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