Schabernackel
Versuch’s mal!“
Da wackelte der Hund mit dem Kopf, klappte das Maul auf und zu, watschelte schaukelnd um die Sandkiste herum und schnatterte lauter als sieben Enten.
„Tolpatsch“, rief das Mädchen, „lieber alter Tolpatsch, soll ich den Tierarzt holen?“
Daraufhin meckerte der Hund wie ein übermütiger Ziegenbock, sprang über die Sandkiste hinweg, rannte gegen die Tür, die polternd nach innen aufflog, und verschwand im Haus. Das Mädchen lief hinterher.
Schabernackel hielt sich den Bauch vor Lachen und konnte sich lange Zeit gar nicht beruhigen.
„Armer Tolpatsch“, sagte er, „jetzt halten dich alle für verrückt. Warum mußtest du auch so naschhaft sein und von der Flüssigkeit saufen! Ich an deiner Stelle würde jetzt Dolmetscher werden und den Katzen erzählen, worüber sich die Ziegenböcke mit den Pferden unterhalten.“
Erwartete noch einige Minuten, ob der Hund nicht noch einmal auf den Dachgarten herauskommen würde, hob dann, als alles ruhig blieb, das linke Bein und schwebte davon. Schon nach wenigen Metern schaltete er die Flugautomatik ein, indem er die Füße auf den Lumpensack legte, so daß er sie nicht immer hochhalten mußte, und ließ sich die Sonne auf den Bauch und die Knollennase scheinen. Dabei schloß er die Augen und träumte so vor sich hin.
Über Felder und Wiesen ging der Flug, über Dörfer und Städte, an Rathäusern, Fernsehmasten und Kirchtürmen vorbei. Allmählich rutschte, ohne daß er es merkte, sein rechtes Bein vom Lumpensack herunter. Die Wolke verlor an Höhe und schwebte immer tiefer. Hautnah strich sie an einem Fabrikschornstein vorbei, streifte um Haaresbreite einen Wasserturm, segelte durch die Balkontür eines Hauses mitten ins Zimmer hinein, daß dem jungen Mann, der dort saß, die Zigarette aus dem Mund fiel und seine Braut vor Schreck den Kaffee neben die Tasse auf die Tischdecke goß, schwebte durch das offenstehende Fenster wieder ins Freie hinaus und landete unsanft in den Ästen eines Apfelbaumes.
Da endlich merkte Schabernackel, daß er vom Kurs abgekommen war. „Ei ei ei!“ rief er. „So was nenne ich eine Bruchlandung. Hoffentlich ist mein Flugzeug heil geblieben!“
Er überprüfte die Wolke vorn und hinten, rechts und links und stellte fest, daß ihr nichts Ernstes passiert war. Das kleine Loch, das ein vorwitziger Ast hineingestoßen hatte, konnte er ohne Mühe mit einer Handvoll Wolkenstoff zustopfen. Um sich von dem Schreck zu erholen, pflückte er sich ein paar Äpfel vom Baum und frühstückte. So hat der Unfall auch sein Gutes, dachte er. Aber Obst allein auf nüchternen Magen ist nicht recht verträglich. Ich muß mir schnellstens was Gebackenes besorgen. Mal sehen, was ich so im Vorbeifliegen erwischen kann.
Vorsichtig befreite er seine Reisewolke aus den Ästen des Apfelbaumes und lenkte sie auf die nächste Stadt zu. Es gelang ihm, sich vom Balkon eines Hauses ein belegtes Brötchen zu angeln, ohne daß die Frau, die soeben den Tisch abdeckte, es bemerkte. Genauso unauffällig konnte er von einem andern Balkon ein Glas mit Erdbeermarmelade und zwei frische Mohnhörnchen grapschen. Das reicht, dachte er, davon werde ich satt.
Um sicherzugehen, daß ihn niemand bei seiner Mahlzeit störte, lenkte er sein Luftschiff neben die Kirchturmspitze, befestigte es mit einem Band an dem goldenen Wetterhahn und frühstückte. Zuerst aß er das Wurstbrötchen und danach die Mohnhörnchen. Er stippte sie in die Erdbeermarmelade und biß Stück für Stück ab. „Das lasse ich mir gefallen“, grunzte er genüßlich, „so was Leckeres habe ich lange nicht mehr gehabt.“
Satt und mit der Welt zufrieden machte er anschließend ein kleines Nickerchen. Ein leichter Wind schaukelte seine Wolke wie eine Wiege sanft hin und her.
Er wachte aber sofort wieder auf, als ihm ein dicker Regentropfen genau auf die Nase fiel.
„Pfui“, rief er, „ich will doch jetzt nicht duschen!“ Rasch löste er das Halteband vom Wetterhahn und schwebte mit Höchstgeschwindigkeit unter der schwarzen Regenwolke weg, die schwer über ihm hing und jede Sekunde aufplatzen konnte. Als er wieder blauen Himmel über sich sah, nickte er zufrieden, drehte sich um und machte der Wolke eine lange Nase.
Gegen Mittag befand Schabernackel sich über einem hübschen Landhaus, das inmitten eines blühenden Gartens lag. Er schaute hinunter, sah eine Frau und einen Jungen auf der Terrasse sitzen und stellte seine Ohren auf Fernempfang ein, indem er
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