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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Unterhaltung erwartet werden konnte, wozu sehr wesentlich ein Brief beitrug, den Schach anderntags an Frau von Carayon schrieb. Er bekannte sich darin in allem Freimut schuldig, schützte, wie schon während des Gesprächs selbst, Überraschung und Verwirrung vor und traf in all diesen Erklärungen einen wärmeren Ton, eine herzlichere Sprache. Ja, sein Rechtsgefühl, dem er ein Genüge tun wollte, ließ ihn vielleicht mehr sagen, als zu sagen gut und klug war. Er sprach von seiner Liebe zu Victoiren und vermied absichtlich oder zufällig all jene Versicherungen von Respekt und Wertschätzung, die so bitter wehe tun, wo das einfache Geständnis einer herzlichen Neigung gefordert wird. Victoire sog jedes Wort ein, und als die Mama schließlich den Brief aus der Hand legte, sah diese letztre nicht ohne Bewegung, wie zwei Minuten Glück ausgereicht hatten, ihrem armen Kinde die Hoffnung und
mit
dieser Hoffnung auch die verlorene Frische zurückzugeben. Die Kranke strahlte, fühlte sich wie genesen, und Frau von Carayon sagte: »Wie hübsch du bist, Victoire.«
    Schach empfing am selben Tage noch ein Antwortsbillet, das ihm unumwunden die herzliche Freude seiner alten Freundin ausdrückte. Manches Bittre, was sie gesagt habe, mög er vergessen; sie habe sich, lebhaft, wie sie sei, hinreißen lassen. Im übrigen sei noch nichts Ernstliches und Erhebliches versäumt, und wenn, dem Sprichworte nach, aus Freude Leid erblühe, so kehre sich's auch wohl um. Sie sehe wieder hell in die Zukunft und hoffe wieder. Was sie persönlich zum Opfer bringe, bringe sie gern, wenn dies Opfer die Bedingung für das Glück ihrer Tochter sei.
    Schach, als er das Billet gelesen, wog es hin und her und war ersichtlich von einer gemischten Empfindung. Er hatte sich, als er in seinem Briefe von Victoire sprach, einem ihr nicht leicht von irgendwem zu versagenden, freundlich-herzlichen Gefühl überlassen und diesem Gefühle (dessen entsann er sich) einen besonders lebhaften Ausdruck gegeben. Aber das, woran ihn das Billet seiner Freundin jetzt aufs neue gemahnte, das war
mehr
, das hieß einfach Hochzeit, Ehe, Worte, deren bloßer Klang ihn von alter Zeit her erschreckte. Hochzeit! Und Hochzeit mit
wem
? Mit einer Schönheit, die, wie der Prinz sich auszudrücken beliebt hatte, »durch ein Fegefeuer gegangen war«. »Aber«, so fuhr er in seinem Selbstgespräche fort, »ich stehe nicht auf dem Standpunkte des Prinzen, ich schwärme nicht für ›Läuterungsprozesse‹, hinsichtlich deren nicht feststeht, ob der Verlust nicht größer ist als der Gewinn, und wenn ich mich auch persönlich zu diesem Standpunkte bekehren könnte, so bekehr ich doch nicht die Welt... Ich bin rettungslos dem Spott und Witz der Kameraden verfallen, und das Ridikül einer allerglücklichsten ›Landehe‹, die wie das Veilchen im verborgnen blüht, liegt in einem wahren Musterexemplare vor mir. Ich sehe genau, wie's kommt: ich quittiere den Dienst, übernehme wieder Wuthenow, ackre, melioriere, ziehe Raps oder Rübsen und befleißige mich einer allerehelichsten Treue. Welch Leben, welche Zukunft! An
einem
Sonntage Predigt, am
andern
Evangelium oder Epistel, und dazwischen Whist en trois, immer mit demselben Pastor. Und dann kommt einmal ein Prinz in die nächste Stadt, vielleicht Prinz Louis in Person, und wechselt die Pferde, während ich erschienen bin, um am Tor oder am Gasthof ihm aufzuwarten. Und er mustert mich und meinen altmodischen Rock und frägt mich: ›wie mir's gehe?‹ Und dabei drückt jede seiner Mienen aus: ›O Gott, was doch drei Jahr aus einem Menschen machen können.‹ Drei Jahr... Und vielleicht werden es dreißig.«
    Er war in seinem Zimmer auf und ab gegangen und blieb vor einer Spiegelkonsole stehn, auf der der Brief lag, den er während des Sprechens beiseite gelegt hatte. Zwei-, dreimal hob er ihn auf und ließ ihn wieder fallen. »Mein Schicksal. Ja, ›der Moment entscheidet‹. Ich entsinne mich noch, so schrieb sie damals. Wußte sie, was kommen würde?
Wollte
sie's? O pfui, Schach, verunglimpfe nicht das süße Geschöpf. Alle Schuld liegt bei
dir
. Deine
Schuld
ist dein Schicksal. Und ich will sie tragen.«
    Er klingelte, gab dem Diener einige Weisungen und ging zu den Carayons.
    Es war, als ob er sich durch das Selbstgespräch, das er geführt, von dem Drucke, der auf ihm lastete, frei gemacht habe. Seine Sprache der alten Freundin gegenüber war jetzt natürlich, beinah herzlich, und ohne daß auch nur eine kleinste Wolke das

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