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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wiederhergestellte Vertrauen der Frau von Carayon getrübt hätte, besprachen beide, was zu tun sei. Schach zeigte sich einverstanden mit allem: in einer Woche Verlobung und nach drei Wochen die Hochzeit. Unmittelbar nach der Hochzeit aber sollte das junge Paar eine Reise nach Italien antreten und nicht vor Ablauf eines Jahres in die Heimat zurückkehren, Schach nach der Hauptstadt, Victoire nach Wuthenow, dem alten Familiengute, das ihr, von einem früheren Besuche her (als Schachs Mutter noch lebte), in dankbarer und freundlicher Erinnerung war. Und war auch das
Gut
inzwischen in Pacht gegeben, so war doch noch das
Schloß
da, stand frei zur Verfügung und konnte jeden Augenblick bezogen werden.
    Nach Festsetzungen wie diese trennte man sich. Ein Sonnenschein lag über dem Hause Carayon, und Victoire vergaß aller Betrübnis, die vorausgegangen war.
    Auch Schach legte sich's zurecht. Italien wiederzusehen war ihm seit seinem ersten, erst um wenige Jahre zurückliegenden Aufenthalte daselbst ein brennender Wunsch geblieben;
der
erfüllte sich nun; und kehrten sie dann zurück, so ließ sich ohne Schwierigkeit auch aus der geplanten doppelten Wirtschaftsführung allerlei Nutzen und Vorteil ziehen. Victoire hing an Landleben und Stille. Von Zeit zu Zeit nahm er dann Urlaub und fuhr oder ritt hinüber. Und dann gingen sie durch die Felder und plauderten. Oh, sie plauderte ja so gut und war einfach und espritvoll zugleich. Und nach abermals einem Jahr, oder einem zweiten und dritten, je nun, da hatte sich's verblutet, da war es tot und vergessen. Die Welt vergißt so leicht und die Gesellschaft noch leichter. Und dann hielt man seinen Einzug in das Eckhaus am Wilhelmsplatz und freute sich beiderseits der Rückkehr in Verhältnisse, die doch schließlich nicht bloß seine, sondern auch
ihre
Heimat bedeuteten. Alles war überstanden und das Lebensschiff an der Klippe des Lächerlichen
nicht
gescheitert.
    Armer Schach! Es war anders in den Sternen geschrieben.

    Die Woche, die bis zur Verlobungsanzeige vergehen sollte, war noch nicht um, als ihm ein Brief mit voller Titelaufschrift und einem großen roten Siegel ins Haus geschickt wurde. Den ersten Augenblick hielt er's für ein amtliches Schreiben (vielleicht eine Bestallung) und zögerte mit dem Öffnen, um die Vorfreude der Erwartung nicht abzukürzen. Aber woher kam es? von wem? Er prüfte neugierig das Siegel und erkannte nun leicht, daß es überhaupt kein Siegel, sondern ein Gemmenabdruck sei. Sonderbar. Und nun erbrach er's, und ein Bild fiel ihm entgegen, eine radierte Skizze mit der Unterschrift: »Le choix du Schach«. Er wiederholte sich das Wort, ohne sich in ihm oder dem Bilde selbst zurechtfinden zu können, und empfand nur ganz allgemein und aufs Unbestimmte hin etwas von Angriff und Gefahr. Und wirklich, als er sich orientiert hatte, sah er, daß sein erstes Gefühl ein richtiges gewesen war. Unter einem Thronhimmel saß der persische Schach, erkennbar an seiner hohen Lammfellmütze, während an der untersten Thronstufe zwei weibliche Gestalten standen und des Augenblicks harrten, wo der von seiner Höhe her kalt und vornehm Dreinschauende seine Wahl zwischen ihnen getroffen haben würde. Der persische Schach aber war einfach unser Schach, und zwar in allerfrappantester Porträtähnlichkeit, während die beiden ihn fragend anblickenden und um vieles flüchtiger skizzierten Frauenköpfe wenigstens ähnlich genug waren, um Frau von Carayon und Victoire mit aller Leichtigkeit erkennen zu lassen. Also nicht mehr und nicht weniger als eine Karikatur. Sein Verhältnis zu den Carayons hatte sich in der Stadt herumgesprochen, und einer seiner Neider und Gegner, deren er nur zu viele hatte, hatte die Gelegenheit ergriffen, seinem boshaften Gelüst ein Genüge zu tun.
    Schach zitterte vor Scham und Zorn, alles Blut stieg ihm zu Kopf, und es war ihm, als würd er vom Schlage getroffen.
    Einem natürlichen Verlangen nach Luft und Bewegung folgend, oder vielleicht auch von der Ahnung erfüllt, daß der letzte Pfeil noch nicht abgeschossen sei, nahm er Hut und Degen, um einen Spaziergang zu machen. Begegnungen und Geplauder sollten ihn zerstreuen, ihm seine Ruhe wiedergeben. Was war es denn schließlich? Ein kleinlicher Akt der Rache.
    Die Frische draußen tat ihm wohl; er atmete freier und hatte seine gute Laune fast schon wiedergewonnen, als er, vom Wilhelmsplatz her in die Linden einbiegend, auf die schattigere Seite der Straße hinüberging, um hier ein paar

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