Schadensersatz
glaube nicht, dass mein Vater davon wusste. Ich habe es ihm jedenfalls nicht erzählt. Ich habe mit ihm überhaupt nicht viel über Peter gesprochen; meine Beziehung zum Sohn eines so bedeutenden Bankiers behagte ihm nicht. Außerdem ist er recht puritanisch eingestellt. Er fand es ungeheuerlich, dass ich mit Peter zusammenlebte. Also, wie ich schon sagte, Peter war bei uns kein Gesprächsthema.
Peter kannte die Namen einiger führender Gewerkschaftler. Wissen Sie, wenn man verliebt ist, hört man solche Sachen voneinander. Auch ich wusste, wer der Geschäftsführer der Fort Dearborn Trust ist, das hätte ich sonst vielleicht nie erfahren.«
Sie kam jetzt allmählich in Fahrt. Ich unterbrach sie nicht, sondern ich war einfach Teil der Landschaft, an die Anita ihre Worte zu richten schien.
»Peter hat für Masters ziemlich langweilige Aufträge erledigt. Man hat eben in der Budgetverwaltung einen Arbeitsbereich für ihn geschaffen. Er war dem Direktor dieser Abteilung unterstellt, den er gut leiden konnte, und eine seiner Aufgaben bestand darin, Zahlungsanweisungen mit den entsprechenden Aktenunterlagen zu vergleichen, um festzustellen, ob sie übereinstimmten. Etwa so: Wurden an Joe Blow vielleicht fünfzehntausend Dollar ausbezahlt, wenn ihm laut Schadensakte nur zwölftausend zustanden?
Normalerweise übernahm diese Kontrollfunktion ein Computer, aber sie hatten den Verdacht, dass mit dem Computer etwas nicht stimmte, deshalb sollte sich Peter manuell mit dieser Aufgabe befassen.« Sie lachte auf. Es klang wie ein Schluchzen. »Wenn ich mir vorstelle, dass Peter noch am Leben sein könnte, wenn Ajax ein funktionierendes Computersystem gehabt hätte. Manchmal geht mir das durch den Kopf, und dann möchte ich am liebsten alle ihre Programmierer erschießen. Also weiter. Er fing mit den größten Summen an - es gab Tausende und Abertausende von Akten; sie haben dreihunderttausend Schadensfälle pro Jahr, doch er sollte nur Stichproben machen. Er nahm sich also zunächst die bedeutendsten vor - hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit, die bereits einige Zeit bestand. Am Anfang war es interessant für ihn zu erfahren, was den Leuten so alles passierte. Dann fand er eines Tages den Schadenersatzanspruch eines gewissen Carl O'Malley. Hundertprozentige Berufsunfähigkeit. Er hatte bei einem idiotischen Unfall am Fließband seinen rechten Arm verloren. So was kommt vor, wissen Sie. Man kann an so einem Fließband hängen bleiben und wird dann in die Maschine hineingezogen. Es ist grässlich.«
Ich nickte bestätigend.
Sie sah mich an und richtete ihre Worte nun direkt an mich statt ins Blaue hinein. »Allerdings war der Unfall nicht wirklich geschehen. Carl ist einer der ranghöchsten Vizepräsidenten, die rechte Hand meines Vaters, und er ist bei uns ein und aus gegangen, solange ich denken kann. Ich nenne ihn Onkel Carl. Peter wusste das, deshalb brachte er die Adresse mit nach Hause; es war die von Onkel Carl. Ihm geht es so gut wie Ihnen und mir - er hat niemals einen Unfall gehabt, und er arbeitet schon dreiundzwanzig Jahre lang nicht mehr am Fließband .«
»Ich verstehe. Sie wussten nicht, was Sie davon halten sollten. Haben Sie nicht Ihren Vater gefragt?«
»Nein. Mir war nicht klar, wie ich es anstellen sollte. Ich habe da nicht durchgeblickt. Ich glaube, ich habe gedacht, Onkel Carl hätte eine unberechtigte Schadenersatzforderung gestellt. Peter und ich betrachteten es irgendwie als Witz. Aber die Sache ließ ihn nicht los. So war er nun mal, wissen Sie. Er dachte die Dinge immer zu Ende. Und dann überprüfte er methodisch alle übrigen Vorstandsmitglieder. Sie hatten samt und sonders Schadenersatzansprüche laufen. Nicht alle wegen hundertprozentiger Berufsunfähigkeit und nicht alle wegen Dauerschäden, doch bei jedem Einzelnen handelte es sich um beträchtliche Beträge. Und jetzt kommt das Fürchterlichste an der Sache: Auch mein Vater hatte einen Entschädigungsanspruch angemeldet. Ich war darüber so erschrocken, dass ich nicht mehr mit ihm reden konnte.«
»Gehört Joseph Gielczowski auch zum Vorstand?«, fragte ich.
»Ja. Er ist einer der Vizepräsidenten und Vorsitzender der Sektion dreißig-einundfünfzig, eines äußerst einflussreichen Bezirks in Calumet City. Kennen Sie ihn?«
»Der Name stand auf der Zahlungsanweisung, die ich gefunden habe.« Nun verstand ich, weshalb ihnen so viel daran lag, dass ich diese unverfängliche kleine Stange Dynamit nicht in die Hände bekam.
Kein Wunder,
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