Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
dass sie meine Wohnung in einen Trümmerhaufen verwandelt hatten, um sie aufzustöbern.
    »Peter beschloss dann wohl, mit Masters zu reden? Sie beide kamen nicht drauf, dass Masters in die Geschichte verwickelt sein könnte?«
    »Nein. Peter dachte, er müsse ihn als Ersten ins Bild setzen. Wir wussten noch nicht genau, was wir als Nächstes tun würden - wir mussten ja auch mit meinem Vater reden.« In ihren blauen Augen stand die nackte Angst. »Es geschah also Folgendes: Peter erzählte Masters von der Sache, und Masters meinte, das sei eine sehr ernste Geschichte, und er würde gern mit Peter unter vier Augen darüber sprechen, weil es unter Umständen der Staatlichen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen gemeldet werden müsse. Peter war einverstanden, und Masters wollte am Montag früh vor Arbeitsbeginn vorbeikommen.«
    Sie sah mich an. »Das war eigenartig, nicht? Wir hätten wissen sollen, dass das nicht normal war, dass ein Vizepräsident so etwas nicht macht, dass er solche Gespräche in seinem Büro führt. Ich glaube, wir nahmen an, er komme deshalb selbst her, weil Peter quasi ein Freund der Familie war.« Sie blickte wieder hinaus auf den Fluss. »Ich wäre gern dabei gewesen, aber ich hatte ja einen Ferienjob. Ich half einem Dozenten des Fachbereichs Politische Wissenschaften bei einer Untersuchung.«
    »Harold Weinstein?«, riet ich.
    »Stimmt. Sie haben wirklich gründlich über mich recherchiert. Wie dem auch sei, ich musste jedenfalls um halb neun dort anfangen, und Masters wollte so gegen neun kommen. Daher überließ ich Peter sich selbst. Im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Gott, weshalb nahm ich meinen Job so verdammt wichtig!
    Weshalb bin ich nicht bei ihm geblieben!« Nun endlich weinte sie, echte Tränen kamen, nicht diese trockenen Schluchzer. Sie barg das Gesicht in den Händen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Dazwischen sprach sie immer wieder davon, dass Peter nur ermordet worden war, weil sie ihn allein gelassen hatte, und eigentlich hätte es sie treffen sollen, weil doch ihr Vater derjenige war, der mit Kriminellen Umgang pflegte, und nicht seiner. Ein paar Minuten lang ließ ich sie in Ruhe.
    »Hören Sie gut zu, Anita«, sagte ich dann mit klarer, fester Stimme. »Sie können sich jetzt für den Rest Ihres Lebens Vorwürfe machen. Aber Sie haben Peter nicht umgebracht. Sie haben ihn nicht im Stich gelassen; Sie haben ihn nicht hintergangen. Wären Sie dabei gewesen, so wären Sie jetzt ebenfalls tot, und die Wahrheit wäre nie ans Licht gekommen.«
    »Ich pfeife auf die Wahrheit«, schluchzte sie. »Ich kenne die Wahrheit, und es ist mir gleichgültig, ob der Rest der Welt sie erfährt oder nicht!«
    »Wenn der Rest der Welt sie nicht erfährt, sind Sie so gut wie tot«, sagte ich brutal. »Das gilt auch für den nächsten netten Jungen oder das nächste nette Mädchen, die sich mit den Akten befassen und das entdecken, was Sie und Peter entdeckt haben. Ich weiß, das alles ist unerträglich. Ich kann mir vorstellen, dass es für Sie die Hölle gewesen sein muss, und es wird noch viel schlimmer kommen. Aber je rascher wir handeln und die Sache hinter uns bringen, desto besser für Sie. Und es wird umso unerträglicher, je länger Sie es hinauszögern.«
    Sie saß da, die Hände vors Gesicht geschlagen. Allmählich ließ ihr Schluchzen nach. Nach einer Weile richtete sie sich auf und blickte mich an. Ihr Gesicht war tränenverschmiert und ihre Augen gerötet, aber sie sah etwas gelöster aus - sie wirkte jünger, glich weniger ihrer eigenen Totenmaske. »Sie haben Recht. Ich wurde schon als Kind dazu erzogen, mich nicht vor Auseinandersetzungen mit anderen zu scheuen. Nur vor der mit meinem Vater habe ich Angst.«
    »Das kann ich mir denken«, sagte ich leise. »Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben. Ich war sein einziges Kind, und wir standen uns sehr nahe. Ich weiß, wie Ihnen zu Mute sein muss.«
    Sie trug ihre lächerliche Kellnerinnenuniform: schwarze Kunstseide mit einem weißen Schürzchen. Sie schnäuzte sich in das Schürzchen.
    »Wer hat die Schecks eingelöst?« fragte ich. »Die Leute, auf deren Namen sie lauteten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß man nicht. Derartige Zahlungsanweisungen werden ja nicht bar eingelöst. Man legt sie seiner Bank vor, und die Bank prüft, ob man ein Konto hat, bevor sie bei der Versicherungsgesellschaft die Geldüberweisung veranlasst. Man hätte wissen müssen, bei welcher Bank die Belege präsentiert wurden, aber das

Weitere Kostenlose Bücher