Schadensersatz
dem Ralph untergebracht war. Sein Gesicht war sehr bleich, doch seine grauen Augen blickten recht munter. Lotty hatte seine Wunden tadellos versorgt, sodass der Arzt in der Ambulanz nur den Verband zu wechseln brauchte, ohne sich um die Verletzungen zu kümmern. Wie Lotty bereits erwähnte: Sie hat in ihrem Leben schon mit vielen Schusswunden zu tun gehabt.
Paul - außer sich vor Wut - hatte Lotty zu Ralphs Wohnung begleitet. Er war in Winnetka angekommen und hatte sich ungefähr zwanzig Minuten, nachdem Jill zu Masters ins Auto gestiegen war, an der protestierenden Lucy vorbei Zutritt zu ihrem Elternhaus verschafft. Von dort aus war er direkt zu Lotty gefahren. Die beiden hatten versucht, mich anzurufen; sie hatten Jill umgehend bei der Polizei als vermisst gemeldet, waren jedoch glücklicherweise in Lottys Wohnung in Telefonnähe geblieben.
Als die beiden eintrafen, war Jill schluchzend in Pauls Arme gesunken, was Lotty veranlasste, auf die nur ihr eigene Weise den Kopf zu schütteln. »Prima Idee. Schaff sie hier raus. Sie braucht einen Cognac.«
Dann hatte sie sich um Ralph gekümmert, der blutend und bewusstlos in der Ecke lag. Das Geschoss hatte seine rechte Schulter durchschlagen und schwere Knochen- und Muskelverletzungen verursacht, aber es war wenigstens ein glatter Durchschuss.
Und jetzt lag er hier in einem Krankenhausbett, und ich blickte auf ihn hinab. Mit der Linken fasste er nach meiner rechten Hand und drückte sie kraftlos; er war mit Medikamenten vollgepumpt. Ich setzte mich auf sein Bett.
»Nicht aufs Bett setzen«, sagte die kleine Schwester.
Ich war völlig erschöpft und wollte ihr sagen, sie solle sich zum Teufel scheren, aber ich fühlte mich nicht in der Lage, nun auch noch Streit mit dem Krankenhauspersonal anzufangen. Also stand ich auf.
»Es tut mir Leid«, sagte Ralph mühsam.
»Mach dir keine Gedanken. Nach allem war es wahrscheinlich das Beste, was passieren konnte. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wie ich Masters dazu zwingen sollte, seine Karten auf den Tisch zu legen.«
»Ja, gut. Aber ich hätte auf dich hören sollen. Nur konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass ich deine Worte ernst nehmen musste. Vermutlich habe ich deine Detektivarbeit im Grunde meines Herzens als bloße Spielerei betrachtet, so als eine Art Hobby, wie Dorothys Malfimmel.«
Ich schwieg.
»Yardley hat auf mich geschossen. Ich habe drei Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet und habe ihn total verkannt. Du bist ihm nur ein einziges Mal begegnet und wusstest gleich, woran du warst.« Seine Worte kamen undeutlich, doch aus seinen Augen sprachen Zorn und Enttäuschung.
»Deswegen brauchst du dir doch keinen Vorwurf zu machen«, wandte ich sanft ein. »Ich weiß, was es bedeutet, wenn man zu einem Team gehört. Niemals würde man seinen Teamkameraden so etwas zutrauen. Ich als Außenstehende habe die Dinge mit ganz anderen Augen gesehen.«
Er schwieg, doch der Druck seiner Finger verstärkte sich; daher wusste ich, dass er nicht schlief.
Schließlich sagte er: »Ich habe mich in dich verliebt, Vic. Aber du brauchst mich nicht.« Sein Mund verzog sich; er wandte sich ab, um seine Tränen zu verbergen.
Mir zog sich die Kehle zusammen; ich brachte kein Wort heraus. »Das meinst du nur«, sagte ich schwach, doch ich wusste nicht, ob es stimmte oder nicht. Ich schluckte und räusperte mich. »Ich habe dich auch nicht nur dazu benutzt, um an Masters ranzukommen.« Meine Stimme war heiser und schwankte.
»Ich hatte dich gern, Ralph.«
Er schüttelte leicht den Kopf; die Bewegung ließ ihn zusammenzucken. »Das ist etwas anderes. Es hätte sowieso nicht geklappt.«
Ich drückte ihm schmerzhaft die Hand. »Nein. Es hätte niemals geklappt.« Warum bloß hätte ich am liebsten geweint?
Allmählich löste sich der Druck seiner Hand. Er war eingeschlafen. Die kleine Schwester zog mich vom Bett weg, und ich warf keinen Blick zurück, als ich das Zimmer verließ.
Mir war danach zu Mute, heimzugehen und mir einen anzutrinken und mich dann ins Bett zu legen oder in Ohnmacht zu fallen oder Ähnliches. Aber ich hatte doch Murray seine Story versprochen. Außerdem musste Anita aus ihrem Unterschlupf befreit werden. Ich rief Murray vom Vorraum der Ambulanz aus an.
»Ich hatte mir schon Sorgen um dich gemacht, Vic«, bekannte er. »Wir haben gerade die Meldung von Smeissens Verhaftung hereinbekommen, und mein Informant bei der Polizei ließ mich wissen, dass Bronsky und ein hohes Tier von der Ajax ins
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