Schadensersatz
Stadt.«
Anita und ich gingen auf den Lift zu. »Und wo ist das?«, fragte er, uns folgend.
»Ecke Federal/Adams Street- im Golden Glow.«
Ich rief ein Taxi und ließ uns zu meinem Wagen bringen. Ein übereifriger Beamter - vermutlich der, der mit der Überwachung der Eingangshalle betraut war - hatte mir einen Strafzettel an die Windschutzscheibe geheftet. Zwanzig Dollar wegen Parkens vor einem Hydranten. Deine Freunde und Helfer.
Ich war so abgespannt, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich gleichzeitig reden und fahren sollte.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich erst heute Früh meine Fünfhundert-Kilometer-Rundreise nach Hartford angetreten hatte, und das nach einer schlaflosen Nacht. Diese Strapazen machten sich nun bemerkbar.
Anita war mit ihrem privaten Kummer beschäftigt. Nachdem sie mir den Weg zum Haus ihres Vaters am Elm Park erklärt hatte, saß sie stumm neben mir und starrte aus dem Fenster. Sie war mir sehr sympathisch und hatte mein ganzes Mitgefühl, doch ich war einfach zu fertig, als dass ich ihr im Augenblick hätte eine Stütze sein können.
Wir hatten bereits acht Kilometer auf dem Eisenhower Expressway zurückgelegt, der vom Zentrum aus in die westlichen Vororte führt, als Anita zu sprechen begann. »Was ist auS Masters geworden?«
»Er tauchte mit Verstärkung auf, um mich und Ralph Devereux aus dem Wege zu räumen. Sie hatten Jill Thayer als Geisel bei sich. Ich konnte den bewaffneten Gangster überwältigen; ich habe ihm den Arm gebrochen und auch Masters außer Gefecht gesetzt. Jill ist wohlauf.«
»Ja? - Sie ist so ein liebes Mädchen. Ich hätte es nicht verwinden können, wenn ihr etwas passiert wäre.
Haben Sie sie eigentlich näher kennen gelernt?«
»Ja. Sie war ein paar Tage bei mir zu Besuch. Sie ist großartig, da haben Sie ganz Recht.«
»Sie ist Peter sehr ähnlich. Die Mutter ist äußerst egozentrisch, interessiert sich nur für Kleider und Kosmetik, und die Schwester ist einfach unbeschreiblich - als hätte sie sich einer ausgedacht. Aber Jill und Peter, die sind beide ...« Sie suchte nach Worten. »... Sie sind selbstbewusst und gleichzeitig sehr aufgeschlossen. Für Peter ist - war - alles neu und interessant: die inneren Zusammenhänge, die Bewältigung von Problemen. Für ihn konnte jeder Mensch ein Freund werden. Jill hat viel Ähnlichkeit mit ihm.«
»Ich glaube, sie ist im Begriff, sich in einen Puerto-Ricaner zu verlieben. Das wird in Winnetka ordentlich Staub aufwirbeln.«
Anita lachte. »Mit Sicherheit. Das ist ja schlimmer als bei mir - ich war zwar die Tochter eines Gewerkschaftsführers, aber wenigstens nicht farbig oder spanischer Abstammung.« Sie schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Wissen Sie, diese eine Woche hat mein Leben verändert. Oder sogar auf den Kopf gestellt. Ich war völlig auf die Gewerkschaft fixiert. Ich studierte Rechtswissenschaft, um als Anwältin für die Gewerkschaft tätig zu sein. Nach alledem scheint es mir nicht mehr erstrebenswert. In mir ist eine große Leere, und ich weiß nicht, womit ich sie füllen könnte. Besonders seit Peters Tod. Ich habe ihn und die gewerkschaftlichen Ideale zur selben Zeit verloren. Letzte Woche war ich so mit meiner Angst beschäftigt, dass ich es gar nicht gleich bemerkt habe. Aber jetzt kommt das alles hoch.«
»Verständlich. Man braucht eine Weile. Nur die Zeit heilt solche Wunden. Erzwingen lässt sich da gar nichts. Mein Vater ist jetzt seit zehn Jahren tot, doch hin und wieder merke ich, dass ich immer noch um ihn trauere. Ich kann mich nur ganz langsam damit abfinden. Der schlimmste Schmerz dauert nicht so lange.
Sie dürfen nur nicht dagegen ankämpfen. Je krampfhafter Sie Kummer und Zorn unterdrücken, desto länger brauchen Sie, bis Sie damit fertig werden.«
Sie wollte mehr über meinen Vater und unser Zusammenleben wissen. Bis zum Ende unserer Fahrt erzählte ich ihr von Tony. Komisch, dass er genauso hieß wie Earls stumpfsinniger Killer. Mein Vater, mein Tony, war ein Träumer gewesen, ein Idealist, ein Mann, der während seiner ganzen Dienstzeit nie auf einen Menschen geschossen hatte - Warnschüsse in die Luft, das schon, aber Tony Warshawski hatte nie jemanden getötet; Mallory hatte es nicht für möglich gehalten. Ich erinnere mich an die Zeit, als Tony im Sterben lag. Sie unterhielten sich eines Abends darüber. Bobby war häufig bei uns in jenen Tagen, und einmal fragte er ihn, wie viele Leute er im Laufe seiner Dienstjahre erschossen hätte. Tony
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