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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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meinem Wagen zu gelangen. Die Luft war immer noch rein.
    Ich beschloss, meine Nachforschungen in den Bars der Innenstadt einzustellen und mich auf die Nachbarschaft der Scherenschleifer-Gewerkschaft zu konzentrieren. Falls erforderlich, konnte ich mich morgen noch einmal mit dem Stadtzentrum befassen. Auf meinem Weg Richtung Norden machte ich an der Klinik Halt. Trotz der frühen Morgenstunde war das Wartezimmer bereits voll. Wieder wurde ich von denen, die bereits seit einer Stunde hier warteten, mit missgünstigen Blicken bedacht.
    »Ich muss Lotty sprechen«, erklärte ich Carol kurz angebunden. Sie warf einen Blick auf mein Gesicht und holte Lot- y aus dem Sprechzimmer. Mit knappen Worten erzählte ich ihr, was geschehen war. »Ich möchte Jill nicht aufregen«, meinte ich, »aber andererseits auch nicht das Gefühl haben, auf einer Tellermine zu sitzen.«
    Lotty nickte. »Ja, sicher. Nur - was könnte sie davon abhalten, sie aus dem Haus der Thayers zu entführen?«, fragte sie. »Wenn sie der Ansicht sind, dass Jill hervorragend als Geisel geeignet sei, dann hat sie wohl nirgends eine Chance, Jills Seelenfrieden sollte uns jedoch wichtiger sein als deiner, und ich glaube, dass sie für die nächsten Tage hier bei uns besser aufgehoben ist. Zumindest bis zur Beerdigung ihres Vaters. Sie hat ihre Mutter angerufen; die Beerdigung ist erst am Freitag.«
    »Gut, Lotty. Aber ich arbeite hier gegen die Zeit. Ich muss weitermachen. Ich kann mich nicht hinsetzen und auf Jill aufpassen.«
    »Nein.« Sie runzelte die Stirn, und dann hellte sich ihre Miene auf. »Carols Bruder. Ein großer, kräftiger und gutmütiger Bursche. Studiert Architektur an der Circle University. Vielleicht kann er herkommen und sie vor den Gangstern beschützen.« Sie rief nach Carol, die sich unser Problem aufmerksam anhörte und die Hände rang bei dem Gedanken, dass Jill in Gefahr sein könnte, jedoch bestätigte, dass Paul gern behilflich sein würde. »Er sieht bösartig und dumm aus«, meinte sie. »Die perfekte Tarnung. In Wirklichkeit ist er nämlich liebenswürdig und hochintelligent.«
    Ich musste mich damit zufrieden geben, aber allzu glücklich war ich nicht. Ich hätte Jill gern nach Wisconsin geschickt, bis alles vorüber war.
    Ich setzte meinen Weg nach Norden fort und fuhr den Bereich um das Gewerkschaftsgebäude der Scherenschleifer ab, um meine heutige Route festzulegen. Es gab hier nicht annähernd so viele Bars wie im Zentrum. Ich steckte mir ein Gebiet von etwa zwanzig Straßen im Quadrat ab und beschloss, den Wagen zu benutzen. Ganz gleich, wie sauer man in den Bars darauf reagieren würde: Heute Früh wollte ich nichts trinken. Bier vor dem Mittagessen kann ich nicht ausstehen. Nicht einmal Scotch.

    Ich begann im Westen meines Gebiets, entlang der Gleise der Howard-Hochbahn. Clara's, die erste Kneipe, sah so heruntergekommen aus, dass ich mir überlegte, ob ich überhaupt hineingehen sollte.
    Jemand, der so anspruchsvoll aussah wie Masters, begab sich bestimmt nicht in ein Loch wie dieses.
    Andererseits - vielleicht zog es ihn gerade an so einen Ort, mit dem ihn kein Mensch je in Verbindung bringen würde. Ich musste mich überwinden, um aus der stickigen Luft in den düsteren Raum zu treten.
    Bis zur Mittagszeit hatte ich neun Fehlschläge zu verzeichnen, und ich begann mir einzureden, dass das Ganze eine wahrhaft lausige Idee gewesen war, durch die ich auch noch eine Menge wertvoller Zeit vergeudete. Mein heutiges Pensum wollte ich noch erledigen, doch im Zentrum würde ich keinen neuen Versuch mehr wagen. Ich rief in der Klinik an. Carols Bruder war bereits eingetroffen; er fand Jill bezaubernd und half ihr gerade, eine Gruppe von sieben Kleinkindern zu unterhalten. Ich erklärte Lotty, dass ich an Ort und Stelle bleiben wollte, und bat sie, mich bei Jill zu entschuldigen.
    Die feuchte, staubige, schwüle Luft konnte man inzwischen kaum mehr atmen. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich zu Boden drückte, sobald ich auf die Straße trat. Der saure Geruch abgestandenen Biers in den Kneipen verursachte mir langsam Übelkeit. In allen Lokalen, die ich aufsuchte, fand ich ein paar mit ihren Hockern verwachsene, trübselige Gestalten, die sich trotz der frühen Stunde einen Drink nach dem anderen genehmigten. Auch hier erlebte ich Feindseligkeit, Gleichgültigkeit und Hilfsbereitschaft, genau wie in der Innenstadt - und den gleichen Misserfolg hinsichtlich meiner Fotos.
    Nachdem ich Lotty angerufen hatte, beschloss ich, mir

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