Schadensersatz
erst acht Uhr. Sie saß in der Küche bei Toast und Kaffee. Jill unterhielt sich angeregt mit ihr; ihr ovales Gesicht war lebendig und ausdrucksvoll. Vor ihr stand ein halb ausgetrunkenes Glas Milch. Verglichen mit ihrer naiven Lebhaftigkeit kam ich mir alt und verbraucht vor.
Ich schnitt mir selbst eine Grimasse.
»Guten Morgen, meine Damen. Draußen ist's fürchterlich schwül.«
»Guten Morgen, Vic«, grüßte Lotty. Sie amüsierte sich sichtlich. »Ein Jammer, dass du die Nacht durcharbeiten musstest.«
Ich boxte sie scherzhaft gegen die Schulter. Jill fragte in ernstem, besorgtem Ton: »Haben Sie tatsächlich die ganze Nacht gearbeitet?«
»Nein. Und Lotty weiß das ganz genau. Ich habe die Nacht in der Wohnung eines Freundes verbracht, und vorher habe ich ein bisschen gearbeitet. War's schön gestern Abend? Wie waren die Enchiladas?«
»Oh, die waren fantastisch!«, erklärte Jill voller Enthusiasmus. »Wussten Sie, dass Carol schon mit sieben zu kochen angefangen hat?« Sie kicherte. »Ich bringe überhaupt nichts Nützliches zu Stande, wie Bügeln zum Beispiel. Ich kann nicht mal Rühreier machen. Carol meint, ich müsste einen reichen Mann heiraten.«
»Ach, es genügt, wenn du jemanden heiratest, der kochen und bügeln kann«, erwiderte ich.
»Na, vielleicht kannst du's heute Abend mal mit Rühreiern probieren«, schlug Lotty vor. »Bist du abends hier?«, wollte sie von mir wissen.
»Könnten wir zeitig essen? Ich bin um halb acht in der Uni verabredet - mit jemandem, der mir eventuell bei der Suche nach Anita von Nutzen sein kann.«
»Na, wie wär's, Jill?«, fragte Lotty.
Jill verzog das Gesicht. »Ich glaube, ich heirate doch lieber einen reichen Mann.« Lotty und ich lachten.
»Was halten Sie von Schnitten mit Erdnussbutter? Das kann ich!«
»Ich mache Frittata, Lotty«, versprach ich, »wenn du und Jill auf eurem Heimweg Spinat und Zwiebeln besorgt.«
Lotty schnitt ein Gesicht. »Vic ist eine gute Köchin, aber sie macht eine Menge Dreck«, sagte sie zu Jill.
»In einer halben Stunde zaubert sie ein einfaches Essen für vier Personen, aber wir beide brauchen dann die ganze Nacht, um die Küche aufzuräumen.«
»Lotty!«, protestierte ich. »Bei einer Frittata? Ich verspreche euch -« Ich überlegte einen Augenblick und lachte. »Nein, keine Versprechungen. Ich möchte nicht zu spät zu meiner Verabredung kommen. Jill, du kannst dann ja aufräumen.«
Jill sah mich mit einem unsicheren Blick an. Ob ich wohl wütend war, weil sie das Abendessen nicht machen wollte? »Hör zu«, erklärte ich ihr. »Keiner erwartet, dass du vollkommen bist. Lotty und ich mögen dich, auch wenn du Tobsuchtsanfälle kriegst, dein Bett nicht machst und dich weigerst, das Abendessen zu kochen. Alles klar?«
»Ja, unbedingt«, bestätigte Lotty amüsiert. »Ich bin schon seit fünfzehn Jahren mit Vic befreundet, und ich habe noch nicht erlebt, dass sie ihr Bett macht.«
Jill lächelte über diese Bemerkung. »Gehen Sie heute wieder auf Spurensuche?«
»Ja, in der Nordstadt. Ich suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Ich würde gern mit dir zu Mittag essen, aber ich weiß noch nicht, wie ich mit meiner Zeit hinkomme. Auf alle Fälle rufe ich gegen Mittag in der Klinik an.«
Ich ging hinüber ins Gästezimmer und zog mir Shorts, ein T-Shirt und Joggingschuhe an. Jill kam herein, als ich meine Streckübungen zum Aufwärmen schon zur Hälfte hinter mich gebracht hatte. Weil ich meine Muskeln übermäßig beansprucht hatte, waren sie verhärtet, sodass ich die Sache langsamer und vorsichtiger angehen musste als gewöhnlich. Als Jill ins Zimmer trat, fing ich gerade an, ein wenig zu schwitzen - nicht vor Anstrengung, sondern vor Schmerzen, Sie sah mir ein Weilchen zu. »Stört es Sie, wenn ich mich in Ihrer Gegenwart anziehe?«, fragte sie schließlich.
»Nein«, keuchte ich ein wenig atemlos. »Es sei denn - du wärst - lieber - allein.« Ich zog mich hoch.
»Hast du mal daran gedacht, deine Mutter anzurufen?«
Sie verzog das Gesicht. »Lotty hatte den gleichen Gedanken. Ich habe beschlossen, mich als Ausreißerin hier einzunisten.« Sie zog ihre Jeans und eines ihrer viel zu weiten Männerhemden an. »Mir gefällt's hier.«
»Weil alles neu für dich ist. Nach einiger Zeit wirst du dich nach deinem Privatstrand sehnen.« Ich drückte sie kurz an mich. »Aber du bist eingeladen, so lange du willst, hier bei Lotty zu wohnen.«
Darüber musste sie lachen. »Na gut, ich werde meine Mom
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