Schadensersatz
glatzköpfig kannte ich ihn bereits aus meiner allerersten Zeit bei der Staatsanwaltschaft von Chicago.
»Earl Smeissen. Wie überaus entzückend. Aber weißt du, Earl, wenn du mich angerufen und um einen Termin gebeten hättest, wären wir auf viel einfachere Art zusammengekommen.«
»Hm, ja, Warchoski, darauf könnte ich glatt wetten«, entgegnete er mit Nachdruck. Earl hatte sich ein hübsches kleines Plätzchen an der North Side geschaffen, mit Klassebordellen, die hauptsächlich von Kongressteilnehmern frequentiert wurden. Er war ferner durch ein paar Erpressungen und Wuchergeschäfte zu Ruhm gelangt, außerdem mischte er ein wenig im Drogengeschäft mit, und überdies ging das Gerücht, dass er als Freundschaftsdienst auch einen Mord auf Bestellung arrangieren würde, sofern die Kasse stimmte.
»Earl, das ist ja ein tolles Quartier, das du hier hast. Offenbar leiden die Geschäfte nicht allzu sehr unter der Inflation.«
Er ignorierte mich. »Wo, zum Teufel, ist deine Jacke, Joe? Rennst du etwa in Chicago herum und zeigst allen Streifenbullen deine Knarre?«
Joe wurde erneut rot und begann, irgendetwas vor sich hin zu murmeln, worauf ich mich einmischte: »Ich fürchte, das ist meine Schuld, Earl. Deine Freunde hier überfielen mich in meinem Treppenhaus, ohne sich vorzustellen oder ein Wort verlauten zu lassen, dass du sie geschickt hattest. Es gab dann ein bisschen Zoff, und Freddies Rippen gingen zu Bruch, aber er hat sich wieder ganz ordentlich aufgerappelt und mich k.o. geschlagen. Als ich wieder zu mir kam, habe ich mich erbrochen und Joes Sakko bekleckert. Also nimm es dem armen Kerl nicht übel, wenn er es weggeschmissen hat.«
Wutentbrannt ging Earl auf Freddie los, der sich in die Diele zurückzog. »Du lässt dir von einem gottverdammten Weibsbild die Rippen brechen?«, kreischte er mit sich überschlagender Stimme. »Für mein gutes Geld kannst du nicht mal einen simplen kleinen Job erledigen und ein gottverdammtes Weibsstück herbeischaffen?«
Wenn mich im Zusammenhang mit meiner Arbeit etwas an widert, so ist es das Faible mieser kleiner Ganoven für miese Schimpfwörter. Im Übrigen hasse ich das Wort Weibsstück. »Earl, könntest du mit der Kritik an deinen Angestellten warten, bis ich weg bin? Ich habe heute Abend eine Verabredung, und ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn du jetzt zur Sache kämst und mir erklären würdest, weshalb du mich so dringend zu sprechen wünschtest, dass du zwei Gauner nach mir schicken musstest. Sonst komme ich noch zu spät.«
Earl warf Freddie einen grimmigen Blick zu und schickte ihn zum Arzt. Als er uns mit einer Handbewegung ins Wohnzimmer bat, bemerkte er, dass Joe hinkte. »Du brauchst wohl auch einen Arzt? Hat sie dir das Bein demoliert?«, fragte er sarkastisch.
»Die Nieren«, warf ich bescheiden ein. »Gewusst, wie.«
»Ja, ich kenn' dich, Warchoski. Ich weiß, was für ein Schlaumeier du bist, und ich habe gehört, wie du Joe Correl fertig gemacht hast. Freddie kriegt von mir 'ne Medaille, weil er dich k. o. geschlagen hat. Vielleicht kann ich dir irgendwie verständlich machen, dass ich es nicht dulde, wenn man sich in meine Angelegenheiten mischt.«
Ich sank in einen geräumigen Sessel. In meinem Kopf pochte es unerträglich, und es war sehr schmerzhaft, meinen Blick auf Earl zu konzentrieren. »Ich mische mich nicht in deine Angelegenheiten, Earl«, erwiderte ich ernsthaft. »Ich bin weder an Prostitution interessiert noch an Erpressungsgeldern oder ...«
Er schlug mir auf den Mund. »Halt die Klappe!« Seine Stimme war wieder nahe daran, sich zu überschlagen, die Augen in seinem feisten Gesicht wurden zu Schlitzen. Geistesabwesend bemerkte ich, dass ein wenig Blut über mein Kinn rann; er musste mich mit seinem Ring erwischt haben.
»Dann handelt es sich wohl um eine allgemeine Warnung? Lässt du alle Privatdetektive in Chicago anschleppen und erklärst ihnen: >Also hört zu, Leute, mischt euch nicht in Earl Smeissens Angelegenheiten!«
Er schlug wieder nach mir, doch ich blockte den Schlag mit meinem linken Arm ab. Überrascht sah er auf seine Hand, so als überlege er, was mit ihr geschehen war.
»Mach hier keine Faxen, Warchoski - ich kann jede Menge Leute hereinrufen, um dir dein Grinsen aus dem Gesicht zu wischen!«
»Ich denke, so viele wären gar nicht nötig«, meinte ich. »Allerdings verstehe ich immer noch nicht, wieso ich in dein Revier eingedrungen sein soll.«
Auf ein Zeichen von Earl kam der Türsteher herüber
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