Schadrach im Feuerofen
Schande für jede schmutzige Tat Ihres treulosen Lebens!« fährt Buckmaster fort.
»Kommen Sie zur Vernunft, Mann! Was haben Sie da drinnen getrunken?«
»Das gleiche wie jeder andere. Bloß die Droge, die Zeitdroge, oder was immer sie einem geben. Dachten Sie, man hätte mich Kokain schnupfen lassen? Oder glauben Sie, ich hätte einen zuviel getrunken? Nein, nein, bloß den Zeittrank, aber der hat mir die Augen geöffnet, das kann ich Ihnen sagen: weit geöffnet!«
Buckmaster kommt mit unsicheren Schritten näher, macht unmittelbar vor Schadrach Mordechai halt, starrt ihn erbittert und durchbohrend an. Schadrachs Kopfschmerzen nehmen weiter zu. »Ich habe gesehen, wie Judas ihn verraten hat!« ruft Buckmaster wie von Sinnen. »Ich war dabei, in Jerusalem, beim letzten Abendmahl, habe ihnen beim Essen zugesehen. Dreizehn um den Tisch, nicht wahr? Ja, ich habe mit eigenen Händen den Wein eingeschenkt, Sie schwarzer Teufel! Ich sah Judas’ schmutziges Grinsen, sah, wie er Jesus ins Ohr flüsterte! Und dann hinaus in den Garten, wissen Sie… Gethsemane, da in der Dunkelheit…«
»Möchten Sie ein Beruhigungsmittel, Roger?«
»Lassen Sie mich mit Ihren verfluchten Pillen in Ruhe!«
»Sie erregen sich zu sehr. Ihre Nerven sind überreizt. Sie sollten versuchen, sich zu beruhigen.«
»Er möchte mich behandeln! Mich! Könnte Ihnen so passen, was? Nein, mit mir nicht, und nun hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe…«
»Ein andermal«, sagt Schadrach. Er wendet sich zum Gehen und macht dabei rudernde Handbewegungen, als ob Buckmaster ein giftiger Dampf wäre, den er wegwedeln müsse. »Ich bin jetzt müde. Ich hatte selbst einen schweren Trip da drinnen. Ich kann dieses Zeug jetzt nicht ertragen, Buckmaster, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Verstanden?«
»Sie werden es ertragen, der Teufel soll Sie holen. Ich muß es Ihnen sagen. Ich habe Sie hier, und Sie sollen es hören. Ich habe alles gesehen, wie Judas im Garten zu ihm kam und ihn küßte und sagte, Herr, Herr, genau wie es im Buch steht, und dann kamen die römischen Soldaten von allen Seiten und nahmen ihn fest… oh, der verdammte verräterische Bastard! Ich sah es, ich war dabei, ich weiß jetzt, was Schuld heißt. Wissen Sie es? Sie wissen es nicht. Und Sie sind so schuldig wie er es war, in einer anderen Weise, aber genauso schuldig, Mordechai!«
»Ich soll ein Judas sein?« Schadrach schüttelt erschöpft den Kopf. Betrunkene irritieren ihn, selbst wenn sie nur von der Droge der Transtemporalisten betrunken sind. »Ich verstehe kein Wort von allem. Wen soll ich verraten haben?«
»Alle. Die ganze Menschheit.«
»Und Sie sagen, Sie seien nicht besoffen!«
»War nie nüchterner. Ja, das hat mir die Augen geöffnet! Wer ist es denn, der ihn am Leben erhält, können Sie mir das sagen? Wer ist ständig um ihn, gibt ihm Injektionen, Medizin, Pillen, schreit nach dem Chirurgen, wenn wieder mal eine neue Niere oder ein neues Herz gebraucht wird? Wie? Wie?«
»Wollen Sie denn, daß der Vorsitzende stirbt?«
»Was sonst, zum Kuckuck?«
Schadrach stockt der Atem. Die transtemporale Erfahrung hat Buckmaster offensichtlich den Verstand geraubt. Schadrach kann sich nicht mehr über ihn ärgern; der zornige kleine Mann muß vor sich selbst geschützt werden. »Wenn Sie so weitermachen, wird man Sie verhaften«, sagt Schadrach. »Wer weiß, ob wir nicht abgehört werden?«
Buckmaster läßt den Einwand unbeachtet. »Glauben Sie, ich wüßte nicht, daß ihr ihm heute eine neue Leber eingesetzt habt?«
»So seien Sie doch vernünftig, Mann! Überall gibt es Kameras, Abhörgeräte… Sie selbst haben die Dinger entwickelt, Buckmaster.«
»Mir egal. Er soll mich ruhig hören.«
»Sie wollen mit der permanenten Revolution also ernst machen?«
»Ich hatte in diesem Zelt eine Erleuchtung«, sagt Buckmaster. »Sie hat mir die Augen geöffnet. Schuld, Verantwortungsbewußtsein…«
»Sie glauben, die Welt würde besser daran sein, wenn der Vorsitzende tot wäre?«
»Ja! Ja!« ruft Buckmaster wild. »Er hat die Revolution verraten!
Er saugt uns alle aus, damit er ewig leben kann. Er hat die Welt in ein Tollhaus verwandelt, in einen Zoo! Sehen Sie, Mordechai, wir könnten Mittel und Wege finden, um das Gegenmittel billig und in großen Mengen herzustellen; wir könnten es industriell produzieren, an alle verteilen und die Menschheit heilen, nicht bloß die wenigen Privilegierten! Aber was macht er? Er steckt alle Mittel in Projekte, die allein zur
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