Schadrach im Feuerofen
unsichtbaren Lautsprecher, der Klang einer seltsam vertrauten, doch zugleich fremdklingenden Stimme. Es ist seine eigene.
- Es ist selbstmörderisch, wie Sie reden. Morgen früh wird das alles in einem Bericht stehen, und der Bericht wird auf dem Tisch des Sicherheitsbeauftragten liegen, Roger, glauben Sie mir. Sie zerstören sich selbst.
- Ich werde ihn zerstören! Den Blutsauger! Er hält uns alle als seine Geiseln, unsere Körper und unsere Seelen, er läßt uns verfaulen, wenn wir ihm nicht dienen, er -
»Noch mal«, sagt Avogadro. »Diesen letzten Satz.«
- Ich werde ihn zerstören! Den Blutsauger! Er hält uns als seine Geiseln -
»Kennen Sie diese Stimmen wieder, Doktor?«
»Ja. Die eine Stimme gehört mir, die andere ist Buckmasters.«
»Ich danke Ihnen. Die Identifikation ist wichtig. Wer war derjenige, der sagte: >Ich werde ihn zerstören«
»Buckmaster.«
»Gut. Danke. Buckmaster, war das Ihre Stimme?«
»Sie wissen, daß es meine war.«
»Sie stießen also eine Drohung gegen das Leben des Vorsitzenden aus?«
»Ich war überreizt. Es war eine rhetorische Pointe.«
»Ja«, sagte Schadrach, »so faßte ich es auch auf. Ich forderte ihn auf, keinen Unsinn zu reden. Ich kann die Äußerung nicht als eine ernstgemeinte Drohung ansehen. Haben Sie ein Tonband von der ganzen Konfrontation?«
»Von der ganzen Begegnung«, sagt Avogadro. »Viele Gespräche werden aufgezeichnet und auf einen möglichen subversiven Inhalt überprüft, müssen Sie wissen. Diese Arbeit wird von Computern geleistet, und der Computer war es auch, der uns heute früh auf dieses Gespräch aufmerksam machte. Ein Vergleich mit den gespeicherten Stimmenaufzeichnungen zeigte uns, daß Sie und Buckmaster die Beteiligten der nächtlichen Auseinandersetzung waren. Aber Ihre direkte Bestätigung ist natürlich nützlich…«
»Sie reden, als ob es ein Gerichtsverfahren mit Geschworenen und Anwälten geben würde«, sagt Buckmaster bitter. »Als ob ich heute Abend nicht Fleisch zum Ausschlachten sein würde!«
»Er sagte zu mir nichts über Mangu, nicht wahr?« fragt Schadrach.
»Nein. Auf dem Band ist nichts.«
»Wie ich dachte. Warum halten Sie ihn dann fest?«
»Warum verteidigen Sie ihn, Doktor? Ich habe mir das Band angehört und muß sagen, daß er Ihnen gegenüber sehr beleidigend und ausfällig war.«
»Das habe ich nicht vergessen. Aber ich bin nicht nachtragend. Er war mir vergangene Nacht ziemlich lästig, doch habe ich deshalb nicht den Wunsch, ihn in die Organfarm geschickt zu sehen.«
Avogadro gibt seinem Helfer ein Zeichen, und Buckmaster wird losgemacht, von den Elektroden befreit und hinausgeführt. An der Tür bleibt er stehen und blickt zurück. Sein Gesicht wirkt auf einmal verschwommen, von der Angst deformiert. Seine Hände zittern. »Ich bin nicht der Täter!« winselt er, dann stößt sein Begleiter ihn hinaus und schließt die Tür.
»Er hat recht; er ist nicht der Täter«, sagt Schadrach. »Ich bin davon überzeugt. Er war letzte Nacht von Sinnen, räsonierte und schrie herum, aber er ist kein Meuchelmörder. Ein Unzufriedener, vielleicht. Aber kein Mörder.«
Avogadro setzt sich auf die Armlehne des Verhörstuhls, spielt mit den Elektroden, windet die Kabelzuführungen um den Zeigefinger. »Ich weiß das«, sagt er. »Aber er ist ein Staatsfeind. Er bekämpft die Politik des Revolutionsrates und seines Vorsitzenden.«
»Was wird mit ihm geschehen?«
»Die Organfarm. Wahrscheinlich noch heute.«
»Aber warum?«
»Der Vorsitzende hat das Band gehört. Er hält Buckmaster für gefährlich.«
»Du meine Güte!«
»Gehen Sie hin und belehren Sie ihn eines Besseren.«
»Sie nehmen das so ruhig auf«, sagt Schadrach.
»Es liegt nicht mehr in meiner Hand, Doktor.«
»Wir können einfach nicht zulassen, daß er ausgelöscht wird!«
»Wir können nicht?«
»Ich kann es nicht.«
»Wenn Sie versuchen wollen, ihn zu retten, dann tun Sie es. Ich wünsche Ihnen Erfolg.«
»Ich wäre imstande, es zu versuchen. Wirklich.«
»Der Mann nannte Sie einen schwarzen Bastard«, sagt Avogadro. »Und einen Judas.«
»Dafür sollte ich ihn vivisezieren lassen?«
»Sie lassen überhaupt nichts, Doktor. Es geschieht einfach. Das ist Buckmasters Problem. Nicht meins und nicht das Ihre.«
Schadrach starrt ihn an. »Macht Ihnen das überhaupt nichts aus? Ist Ihnen Gerechtigkeit so gleichgültig?«
»Gerechtigkeit ist etwas für Anwälte. Anwälte sind ein ausgestorbener Beruf. Ich bin nur
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