Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
dem Mörder zu fahnden, Verdächtige zu vernehmen und bei der Gelegenheit Feinde unserer Staatsordnung zu den Organfarmen zu schicken, bis man mir sagt, daß ich damit aufhören soll. Und nun gehen Sie schon. Gehen Sie!«
     

12
    Am nächsten Tag verlautet, daß dreizehn Verschwörer in die Organfarmen geschafft worden seien, darunter Roger Buckmaster. Solche Gerüchte pflegen im allgemeinen zutreffend zu sein, aber Schadrach Mordechai, der sich mit der Vorstellung noch immer nicht abfinden kann, nimmt die Mühe auf sich, über seinen Datenanschluß das zentrale Personenregister anzuzapfen, um in Erfahrung zu bringen, wo Buckmaster ist. Er erhält die Auskunft, daß Buckmaster der Abteilung an überstellt worden sei. Schadrach versucht es als nächstes mit dieser Kodenummer, obwohl er sich denken kann, was wahrscheinlich dahintersteckt, und tatsächlich, Abteilung 111 ist der Euphemismus für die Organfarmen. Buckmaster ist ins menschliche Ersatzteillager eingegangen.
    Spieker durch das Foramen magnum.
    Zack.
    Der arme Dummkopf.
    Schadrach beschließt das Thema Buckmaster während seiner morgendlichen Visite beim Vorsitzenden nicht anzuschneiden. Eine Intervention zugunsten Buckmasters wäre jetzt abwegig.
    »Die Verschwörung ist zerschmettert!« erklärt Dschingis Khan II. Mao triumphierend, als Schadrach eintritt. »Die Schuldigen sind bestraft worden. Die Bedrohung von Ruhe und Ordnung ist abgewendet.« Seine Augen blitzen befriedigt, der alte, zusammengeflickte Körper scheint von gesunder Energie erfüllt.
    Schadrach nimmt eine Blutprobe, verabreicht Medikamente, prüft Reflexe. Der alte Mann beachtet ihn nicht mehr als einen Diener, der beauftragt ist, die Bettwäsche zu wechseln. Er beschäftigt sich mit Akten, darunter auch einigen Plänen für Monumente zu Ehren des toten Nachfolgers. Der Vorsitzende betrachtet sie mit kritischem Interesse, nickt, kritzelt Bemerkungen an die Ränder, murmelt schwer verständliche Kommentare, die für keinen anderen als für ihn selbst bestimmt sind.
    »Ha! Das gefällt mir!« sagt er auf einmal. »Ein Mausoleum nach dem Vorbild griechischer Tempel, mit Statuen statt Säulen. Was halten Sie davon, Doktor?« Er schiebt die Blaupause über die Bettdecke Schadrach zu. »Natürlich Ionigylakis’ Idee. Er macht Anleihen bei den Alten und glaubt es besser zu können als sie. Wie finden Sie es, Mordechai?«
    »Die Statuen stören mich«, sagt Schadrach nach längerer Betrachtung. »Ich finde, sie bringen zuviel Unruhe in die Front und die seitlichen Säulenreihen. Man kann ein Erechtheion nicht ohne weiteres ins Monumentale übertragen. Eine solche Lösung bedarf eines sehr feinen ästhetischen Empfindens. Außerdem lastet der mächtige Giebel viel zu schwer auf diesen Gestalten, meinen Sie nicht?«
    Der alte Mann nimmt die Blaupause mit verdrießlicher Miene zurück und legt sie beiseite.
    »Sagen Sie mir, Doktor: glauben Sie, daß Mangu große Schmerzen erduldete?«
    »Er muß augenblicklich tot gewesen sein. Dürfte ich Ihren Arm haben…«
    »Und hier, ja, das gefällt mir wirklich!« sagt der Vorsitzende, ohne sich um ihn zu kümmern. »Ein Alabastersarkophag, verziert mit Halbreliefs, die Szenen aus dem Leben des Toten zeigen… ja, warum nicht? – sagen Sie, Doktor, kennen Sie Chin Shi Huang Ti?«
    »Wie bitte?«
    »Chin Shi Huang Ti.«
    »Ich fürchte, ich habe diesen Namen nie gehört.«
    »Das ist eine ernste Bildungslücke, mein lieber Doktor, beinahe unverzeihlich! Chin Shi Huang Ti war der erste Herrscher Chinas, der Mann, der das ganze Land unter seiner Herrschaft einte und die Große Mauer errichtete. Wissen Sie, wie man ihn bestattete?« Der alte Mann sucht zwischen den Papieren und Akten auf seinem Bett, nimmt sich eine Mappe mit Dokumenten vor und beginnt zu unterzeichnen, während er weiterspricht. »Als der Kaiser starb, wurde er in einem Palast beigesetzt, zusammen mit Hunderten von Sklaven, Kriegern und Pferdegespannen, die ihm ins Jenseits folgten. Darauf wurde der Palast zugeschüttet und unter einem mächtigen Sandhügel begraben. Das nenne ich Größe!« Der alte Mann blickt auf, runzelt die Stirn, befeuchtet sich die Lippen. »Natürlich kann man so etwas heute nicht mehr machen. Aber es bringt mich auf Überlegungen, wie ich mein eigenes Leichenbegängnis ausrichten könnte. Ich denke, ich verdiene etwas an Größe und Aufwand Vergleichbares. Aber was?« Dschingis Khan II. Mao blickt sinnend auf seine Akten, dann verzieht er die ledernen Lippen zu

Weitere Kostenlose Bücher