Schadrach im Feuerofen
einem belustigten Lächeln. »Nun, es ist noch Zeit, etwas zu planen! Zwanzig, dreißig Jahre! In der Tat, warum sollte ich jetzt an ein Grabmal für mich selbst denken! Mangu ist derjenige, den wir beerdigen. Er soll ein hübsches Mausoleum bekommen!« Er schiebt die Blaupausen zusammen und wirft sie auf den Boden neben das Bett. »Bisher haben wir einundvierzig schuldige Verschwörer in die Organfarmen geschickt, Doktor.«
»Ich hörte von dreizehn.«
»Einundvierzig, und wir sind längst noch nicht fertig. Ich habe Avogadro gesagt, daß er mindestens einhundert zusammenfangen soll. Stellen Sie sich vor, was da an Lebern auf Lager genommen wird! Die Kilometer von Gedärmen! Eine nützliche Sache, die Organfarmen. Ich hasse Verschwendung gleich welcher Art. Und mit der Auffüllung der Organvorräte verbindet sich ein wuchtiger Schlag gegen Feinde des Staates und unserer Gesellschaftsordnung. Darin liegt eine Art von Poesie, finden Sie nicht, Doktor?«
»Sollten Sie jetzt nicht ein wenig ruhen?« sagt Schadrach.
»Ruhen? Ich bin doch im Bett. Ich brauche nicht auszuruhen. Ich könnte jetzt aufstehen und zu Fuß nach Karakorum gehen. Wozu Ruhe? Sind Sie meinetwegen besorgt, Doktor?« Der Vorsitzende kräht sein Altmännerlachen. »Ich fühle mich großartig. Es ging mir nie besser. Hören Sie auf, wie eine alte Glucke zu tun. Was sind Sie doch für ein altes Weib, Doktor! Sind Sie eigentlich Christ?« Schadrach blickt verdutzt auf.
»Ein Christ. Das müssen Sie doch wissen. Betrachten Sie den Sohn Gottes als Ihren Erlöser? Was? Können Sie nicht hören? Werden die Ohren schon schlecht? Ich werde Warhaftig beauftragen, Ihnen neue Trommelfelle einzupflanzen. Ich habe Sie gefragt, ob Sie Christ sind.«
»Nun…«
»Sie wissen, was ich meine, Doktor. Vater unser, der du bist im Himmel. Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tag auferwecken von den Toten, spricht der Herr. Ja? Kommt Ihnen das bekannt vor? Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt. Ite missa est. Na?«
»Also meine Eltern nahmen mich manchmal mit in die Kirche, aber ich kann wirklich nicht sagen, daß ich…«
»Zu dumm. Sie sind nicht gläubig?«
»Dem Buchstaben nach vielleicht, denn meine Eltern ließen mich taufen, aber…«
»Mir scheint, auf die Frage kann es nur eine Antwort geben.«
»Dann bin ich nicht gläubig.«
»Nun, geheiligt werde dein Name… Trotzdem, würden Sie gern Papst sein?«
»Wie bitte?«
»Ist das alles, was Sie sagen können? Wie bitte? Wie bitte?« Der alte Mann imitiert seine unterwürfige Haltung mit vernichtender Lächerlichkeit. Sein Puls beschleunigt sich, das Gesicht ist von Röte überzogen. »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, sagt der Herr; niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Diese manische Unbeständigkeit beunruhigt Schadrach, und er läßt dem alten Mann durch Betätigung des Pedals wieder eine Dosis Pordenone 9 zukommen, damit er sich beruhigt. Aber der Greis sitzt aufrecht im Bett, fuchtelt schwächlich mit beiden Händen und krächzt: »Antworten Sie, ja oder nein, aber nicht mehr mit >Wie bitte Die neue Leber, denkt Schadrach. Kann es die Leber eines Verrückten gewesen sein?
Er sagt höflich: »Ich bin nicht römisch-katholisch getauft, wissen Sie.«
»Das läßt sich nachholen, lieber Doktor! Ist das so schwierig? Ein paar Wochen Unterweisung, und Sie wissen die richtigen Worte zu murmeln. Kyrie eleison. Credo in unum Deo. Om mani padme hum.«
Hinter all diesem verrückten Gerede lauert etwas Unheilverkündendes. Die abrupten Themenwechsel, die Hektik der
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