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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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übermüdet, abgenutzt. »Ein Tollhaus«, murmelt er. »Fünfzig Festnahmen in einer Stunde. Alle Vernehmungszimmer sind voll, und es werden immer noch Leute eingeliefert. Verrückte, Bettler, Diebe, der ganze Abschaum von Ulan Bator. Und die Radikalen, versteht sich. Ich gehe von einer Zelle zur anderen, sehe nach dem Rechten, stelle Fragen. Und wozu? Wozu?« Ein raues, gereiztes Auflachen. »Ehe diese Säuberungswelle sich verläuft, wird es jede Menge Fleisch für die Organfarmen geben.« Langsam und mit einer Müdigkeit, die vom Widerwillen noch verstärkt wird, wendet er sich dem Mann auf dem Stuhl zu. »Nun, Buckmaster? Sie haben einen Besucher. Erkennen Sie ihn wieder?«
    Buckmaster starrt auf den Boden. »Sie wissen verdammt gut, daß ich ihn kenne«, murmelt er.
    »Sagen Sie mir seinen Namen.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Sagen Sie mir seinen Namen«, drängt Avogadro in einem Ton, der bei aller Müdigkeit hinreichend bedrohlich ist, um Buckmaster davon zu überzeugen, daß Schweigen sich nicht lohnt.
    »Mordechai. Schadrach Arschkriecher Mordechai. Doktor.«
    »Danke, Buckmaster. Und nun sagen Sie mir, wann Sie Doktor Mordechai zuletzt gesehen haben.«
    »Vergangene Nacht«, sagt Buckmaster mit kaum hörbarer Stimme.
    »Lauter!«
    »Vergangene Nacht.«
    »Wo?«
    »Sie wissen, wo, Avogadro!«
    »Ich möchte es aus Ihrem Munde hören.«
    »Ich habe es schon gesagt.«
    »Dann sagen Sie es noch einmal. Vor Doktor Mordechai. Sagen Sie es mir.«
    »Warum schneiden Sie mich nicht einfach in Stücke und lassen es damit gut sein?«
    »Sie erschweren Ihre Lage selbst, Buckmaster. Und Sie machen es mir schwer, entlastendes Material für Sie zusammenzutragen.« – »Ein Jammer.«
    »Sie lassen mir keine andere Wahl«, sagt Avogadro.
    Buckmaster hebt den Kopf und blickt in dumpfer Erbitterung zu ihm auf. »Was soll das Theater, Avogadro! Ich kenne das Spiel. Sie werden mich eine Weile verhören, Sie werden mich der staatsfeindlichen Hetze und Verschwörung für schuldig befinden, zum Tode verurteilen, und ab mit mir in die Organfarm! Richtig? Und dort liege ich dann, ein Leichnam, der nicht tot ist, und wann immer der Vorsitzende oder ein anderes hohes Tier eine Niere, eine Lunge, ein Herz oder eine Leber braucht, kann sein Arzt kommen und mir das Benötigte herausschneiden. Während ich daliege, tot, aber warm, atmend und mit gesundem Stoffwechsel, ein Teil des Lagervorrats.«
    »Buckmaster…«
    Buckmaster stößt ein heiseres Lachen aus. »Der Vorsitzende befürchtet, daß die Lagerbestände zur Neige gehen könnten, und weil er die an Organzersetzung leidenden Leute draußen nicht gebrauchen kann, nimmt er uns, wirft ein paar Dutzend von seinen eigenen Leuten in die Organfarmen, nicht wahr? Also los, bringen Sie mich fort! Machen Sie mich zu Kannibalenfutter! Aber hören Sie endlich mit dieser Farce auf, ja? Hören Sie auf, mir idiotische Fragen zu stellen.«
    Avogadro seufzt. »Fahren wir fort, Buckmaster. Sie sahen Doktor Mordechai in…«
    »Timbuktu.«
    Avogadro hebt die linke Hand. Ein Mann vom Sicherheitsdienst, der in der Ecke an einem Tisch sitzt, macht sich an einem kleinen Gerät zu schaffen. Buckmaster fährt zusammen und zuckt, und seine linke Gesichtshälfte wird vorübergehend von einem häßlichen Krampf entstellt. »Wo sahen Sie ihn?«
    »Piccadilly Circus.«
    Wieder hebt der andere die Hand, etwas höher. Buckmaster windet sich auf dem Stuhl, Arme und Beine zucken unkontrolliert, und der Gesichtskrampf wiederholt sich. Speichel rinnt aus den Mundwinkeln. Schadrach tritt unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er wendet sich zum Sicherheitschef und sagt mit halblauter Stimme: »Vielleicht ist es nicht nötig, ihn…«
    »Doch, es ist nötig«, erwidert Avogadro. »Sie sehen selbst, wie er sich durch seinen Starrsinn schadet.« Zu Buckmaster sagt er: »Ich bin bereit, den ganzen Tag so weiterzumachen, Buckmaster. Es langweilt mich, aber es ist meine Arbeit, und wenn ich Ihnen Schmerzen zufügen muß, dann werde ich es tun, und wenn ich Sie zum Krüppel machen muß, dann werde ich auch das tun, denn mir bleibt keine andere Wahl. Verstehen Sie mich? Kommen Sie also zur Vernunft. Also, fangen wir wieder an: Sie trafen Doktor Mordechai in…«
    »Karakorum.«
    »Wo in Karakorum?«
    »Vor dem Zelt der Transtemporalisten.«
    »Um welche Zeit?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Es war spät, aber noch vor Mitternacht.«
    »Ist das richtig, Doktor Mordechai? Ihre Antworten werden

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