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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Jedenfalls gibt mir Avatara Hoffnung. Bald werde ich in einem neuen, gesunden Körper stecken. Ehe der erste Schnee fällt, werde ich mit Mordechais Lippen zur Welt sprechen und die Luft mit seinen Lungen atmen.
     
    Als er im Laufe des Nachmittags unangemeldet das Laboratorium des Avatara-Projekts betritt, wird Schadrach sofort von Manfred Eis gestoppt, Nicki Crowfoots Stellvertreter, der aus einem Labyrinth von Elektronik zum Vorschein kommt und ihm wie der Blitze schleudernde Thor den Weg vertritt.
    »Wir sind im Moment sehr beschäftigt«, sagt er im Ton einer Herausforderung.
    »Freut mich, das zu hören.«
    »Was verschafft uns die Ehre?«
    »Nur ein Routinebesuch«, antwortet Schadrach freundlich. »Ich wollte sehen, welche Fortschritte Sie gemacht haben. Bin einige Zeit nicht hier gewesen.«
    Tatsächlich sind mehrere Wochen vergangen, seit er das Laboratorium zuletzt aufsuchte, und nach seinem >Fahrplan< stattet er jedem Projekt wenigstens einmal im Monat einen Informationsbesuch ab. Aber Eis läßt ihn spüren, daß er jetzt nicht willkommen ist. Er ist ein kühler, humorloser Mann, der auf Distanz hält, ein Klischee-Teutone, steif und breitschultrig, mit kantigen Kinnladen und sehr nordisch, mit frostigen blauen Augen, ebenmäßigen Zähnen und weichem Blondhaar. Nur die Schmisse fehlen. Schadrach ist die arische Schroffheit des Doktor Eis längst gewohnt, aber heute ist etwas Neues in seinem Verhalten, etwas halb Gönnerhaftes und halb Geringschätziges, was Schadrach beunruhigt, weil er vermutet, daß es mit seiner persönlichen Beteiligung am Projekt Avatara zu tun hat.
    Eis scheint über Schadrachs Wahl Genugtuung zu empfinden. Anscheinend findet er es nicht mehr als recht und billig, daß Schadrach seinen Geist aufgeben soll. Das muß es sein. Vielleicht war Eis überhaupt derjenige, der den alten Mann auf die Idee brachte, Schadrach auszuwählen. Nein, das ist wenig wahrscheinlich; da nicht einmal die Projektleiterinnen beim Vorsitzenden freien Zutritt haben, würde ein Untergebener wie Eis nur in Ausnahmefällen vorgelassen. Trotzdem wird Schadrach das Gefühl nicht los, daß Eis sich an seinem Schicksal weidet. Und weil er sich nicht gern als Gegenstand heimlicher Schadenfreude sieht, überlegt er, ob es nicht möglich ist, für Eis’ feinen nordischen Körper eine passende experimentelle Verwendung zu finden.
    Wie auch immer, Schadrach hat hier nominell die Oberleitung, und Eis muß nachgeben. Trotz aller Geschäftigkeit kann er Schadrach den Inspektionsrundgang nicht verwehren. Übrigens hat er den Mund nicht zu voll genommen, im Laboratorium herrscht tatsächlich eine an Hektik grenzende Geschäftigkeit, alle möglichen Experimente mit den verschiedensten Tieren sind im Gange, während schwitzende, fluchende Techniker elektronische Ausrüstungen von Raum zu Raum schleppen und Männer und Frauen in weißen Mänteln wildblickend umhereilen und Bündel von Computerausdrucken schwenken – ein richtiger Zirkus, ebenso manisch wie komisch, verrückte Wissenschaftler am Werk, verzweifelt bemüht, die Quadratur des Kreises zu finden, ehe der rasch näherrückende Endtermin da ist.
    Die Erkenntnis, daß er selbst der Kreis ist, dessen Quadratur sie finden müssen, verursacht Schadrach Unbehagen. Er ist der arme Schlucker, das Opfer, dessen Leben eines Tages von diesen Geräten geschluckt werden soll, und die Hektik der gegenwärtigen Aktivitäten ist ausschließlich die Folge der Notwendigkeit, die gesamte Elektronik schnellstens von Mangu-Parametern auf Schadrach-Parameter umzustellen. Wahrscheinlich gibt es hier ein Dutzend Menschen, die mindestens genauso viel über seinen Körper, seine enzephalographischen Muster, seine neuralen Verbindungen und seinen Serotoninspiegel wissen, wie er selbst. Sehr wahrscheinlich steht er seit Tagen unter heimlicher Beobachtung und Kontrolle. (Dringen sie während seiner Abwesenheit in seine Wohnung ein, um Fingernägelabschnitte und Haare zu stehlen?) Schadrach fragt sich, wie viele von diesen Technikern und Laboranten über die Identität des neuen Körperspenders Bescheid wissen. Er stellt sich vor, daß sie alle unterrichtet sind und ihn mit heimlicher Faszination beobachten, während sie hin und her eilen – daß sie ihn verstohlen mustern und den authentischen Schadrach Mordechai mit den abstrakten und synthetischen Mordechai-Simulationsimpulsen vergleichen, mit denen sie gearbeitet haben. Aber vielleicht nicht. Offenbar wußten nur wenige von den

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