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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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machte eine vage Handbewegung zum anderen
Ende der Terrasse und hängte sich bei Robbie ein. Sandy
Ochs, eine pummelige junge Frau mit plumpen Zügen in einem
dunkelblauen Segeltuchoverall, machte plötzlich einen
niedergeschlagenen Eindruck.
    Belustigt sagte Caroline: »Ihr Mann läßt sich
operieren.«
    »Ja«, sagte Jane. Und dann, mit jäher
Wildheit: »Vielleicht macht die Operation einen besseren
Menschen aus ihm.«
    »Vielleicht macht sie aus uns allen bessere
Menschen«, sagte Caroline.
    »Aus mir nicht«, sagte Robbie mit einer derart
gespielten Ernsthaftigkeit, daß Caroline lachte. »Was
wird sie aus Ihnen machen, Caroline Bohentin?«
    »Wer weiß?« wehrte sie die leise
Herausforderung ab, immer noch lächelnd. Aber ihren Worten
folgte ein kurzes Schweigen.
    Sandy Ochs brach es. »Ich weiß, was ich sein werde«, sagte sie plötzlich mit unnötiger
Heftigkeit. »Ich weiß es bereits. Ich war
Königin von Ägypten, und ich brauche diese Operation
nur, um den Rest meiner blöden Verwandtschaft davon zu
überzeugen, daß ich die Kräfte auch wirklich
habe, von denen ich immer rede.«
    O Gott, dachte Caroline. So eine mußte es
natürlich geben. Es gab immer so eine. Aber warum
mußte es der zweite Mensch sein, mit dem sie redete?
»>Kräfte    »Die Menschheit zu retten!«
    »Die Menschheit kann einen Retter brauchen, soviel steht
fest.« Seine Stimme war respektvoll, interessiert: Er
provozierte sie.
    »Sehen Sie, Sie verstehen mich«, sagte
Sandy Ochs klagend. »Warum sind meine Eltern und meine
Schwester dazu nicht fähig?«
    »Vielleicht kannten wir uns in einem früheren
Leben«, sagte Robbie feierlich. Er versuchte, Blickkontakt
mit Caroline aufzunehmen; sie wich seinem Blick aus.
    »Oh, wir kannten uns«, sagte Sandy Ochs eifrig.
»Ich wußte es sofort, als Sie ins Zimmer
kamen.«
    »Aha«, sagte Robbie.
    »Eine Königin von Ägypten«, sagte
Sandy Ochs scharf und starrte sie der Reihe nach an. Ihre Augen
erschreckten Caroline. Sie waren von einem stumpfen,
glänzenden Schwarz, blank wie Kieselsteine.
    »Hatten Sie Ihren eigenen Tempel, Königin
Sandy?« erkundigte sich Robbie.
    »Königin Ptahsut!«
    »Ja. Natürlich. Hatten Sie einen Tempel wie die
Sonne? Mit… oh, mit Tänzerinnen und
Menschenopfern?«
    Sandy Ochs zog den Kopf ein und bedachte sie alle mit einem
wölfischen Grinsen. Die Terrassenlichter, kleine weiße
Perlen an Schnüren über ihnen, glitten wie
Schaumflecken über ihre blanken Augen.
    »Wissen Ihre Eltern, daß Sie hier sind, Miss
Ochs?« fragte Joe McLaren ruhig. Caroline sah ihn zum
erstenmal an. Er war so groß wie sie, nicht
größer, und lehnte schwer am Terrassengeländer,
knapp außerhalb des Lichtrechtecks von der Verandatür.
Im Halbdunkel konnte sie seine Gesichtszüge und seine
Hautfarbe nicht genau erkennen; sie sah nur einen scharf
vorspringenden Wangenknochen, der von ihr wegzeigte und Sandy
Ochs zugewandt war.
    »Ich bin über einundzwanzig«, sagte sie mit
der gleichen wütenden Energie. »Und ich weiß,
was Sie denken. Aber Sie irren sich. Haben Sie gehört? Sie irren sich. Ich habe sämtliche psychologischen Tests
hier bestanden.«
    »Ja«, sagte McLaren sanft. »Ich glaube
Ihnen. Wie lange waren Sie davor in Behandlung, Miss
Ochs?«
    Die ausdruckslosen Augen der Frau loderten mit einemmal auf.
Caroline trat einen Schritt zurück.
    Sandy Ochs hob beide Hände in einer merkwürdigen
Geste gegen McLaren – eine Hand war zur Faust geballt, die
andere offen – und erstarrte. Sie behielt die Pose
beklemmend lange bei. Keiner sagte ein Wort. Dann drehte sie sich
um und schritt mit königlicher Würde durch die
Verandatür.
    »Die ist ja total durchgeknallt«, sagte
Robbie.
    »Sie haben sie provoziert.« In McLarens Stimme war
keine Spur von Sanftheit mehr. »Lassen Sie das
bleiben.«
    Er ging weg. Caroline bemerkte, daß er den linken
Fuß ein wenig hinterherschleifte.
    »O Gott«, sagte Robbie und seufzte theatralisch.
»Ich bin kaum zwanzig Minuten da und hab mir schon zwei
Feinde gemacht. Was meinen Sie, Caroline – brauch ich einen
Leibwächter?«
    »Sie haben sie provoziert.«
    »Wirklich? Das wollte ich nicht, ehrlich nicht.«
Er sah auf einmal verwirrt und viel jünger aus.
    Caroline widerstand dem Impuls, ihm die Hand an den Arm zu
legen. Die Terrassenbeleuchtung blinkte dreimal und warf
Stroboskopschatten auf sie alle.
    »Eure Versammlung fängt an«, sagte Jane

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