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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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einen Stefan Urban mitbringen? Das ist …“
    „… ein bekannter Wiener Fotograf, der am Samstag in der Donau ertrunken ist“, beendete Markus den Satz.
    Anscheinend wusste die halbe Welt über diesen Mann Bescheid, nur Paula wieder einmal nicht.
    „Ich hatte am Sonntag Journaldienst und habe die Meldung über seinen Tod formuliert. Nichts Spektakuläres, bis auf den Umstand, dass seine Leiche während einer Veranstaltung entdeckt wurde.“
    „Ist die Polizei dran?“
    „Nein. Die polizeilichen Untersuchungen haben ergeben, dass es keinen Verdacht auf Fremdverschulden gibt. Er wird wohl bei einem Spaziergang ausgerutscht und dann ertrunken sein. Aber was hast du mit ihm zu tun?“
    „Ich habe die Ehre, eine Biografie dieses Fotografen zu schreiben. Ein super Projekt, freie Zeiteinteilung, gutes Honorar.“
    „Das klingt gut. Das musst du mir heute Abend dann genauer erzählen. Falls du schreiberische Unterstützung benötigst, helfe ich dir gern. Oder wobei auch immer.“
    Oh, da fiel ihr allerhand ein, wobei er ihr helfen konnte.
    Sie hatte noch drei Stunden Zeit bis zum Treffen mit Markus. Paula war zwar versucht, diese Zeit mit dem Probieren verschiedenster Bekleidungsvarianten für ihr Rendezvous zuverbringen, aber da lagen auch die beiden Säcke voller Unterlagen, die sie durchsehen wollte. Es konnte nicht sein, dass das normale Leben sofort durcheinanderkam, nur weil plötzlich ein Mann auftauchte – auch wenn es ganz ein lieber war. Sie sortierte die Papiere und Bücher und blätterte zunächst lustlos darin herum.
    Stefan Urban wurde 1934 in Wien geboren. 1940 zogen seine Eltern nach Paris. Sein Vater war Diplomat. Er ging in Paris zur Schule und studierte an der Sorbonne Bildende Kunst mit Schwerpunkt Fotografie. 1962 bis 1965 lebte er in Wien und publizierte mehrere Bildbände. Ab 1965 feierte er in Paris seine größten Erfolge als angesehener Fotograf, bei dem sich die Prominenten die Türklinke in die Hand gaben. Mitte der siebziger Jahre veränderten sich die Inhalte seiner Fotografien: Immer seltener bildete er Personen ab. Stattdessen widmete er sich Landschaften, die er stimmungsvoll ins Bild zu rücken verstand. Urban war ein Meister der Schwarz-Weiß-Fotografie gewesen, da gab es keinen Zweifel, und er hatte es fabelhaft verstanden, Stimmungen einzufangen. In den neunziger Jahren folgte er einer Einladung der Stadt Wien, als Dozent in seine Geburtsstadt zurückzukehren. Hier erhielt er den Kulturpreis der Stadt Wien und den Staatspreis für künstlerische Fotografie.
    „Ich wollte immer etwas schaffen. Ein Haus zum Beispiel. Einfach etwas, das nach mir auch noch da sein und an mich erinnern würde“, hatte er einmal in einem Interview gesagt. „Fotografien sind flüchtig. Nur selten gelingt einem Fotografen ein Schuss, der eine längere Lebensdauer hat.“ Welche Bescheidenheit bei den unzähligen Bildbänden, die er über die Jahrzehnte publiziert hatte, und in Anbetracht der zahlreichen Ausstellungen, in denen sein Schaffen rund um den Globus gezeigt worden war. Die Unterlagen von Ada hatte Paula bald durchforstet, ihr Interesse war erwacht. Obwohl ihrnur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Treffen mit Markus blieb, konnte sie einer Suche im Internet nicht widerstehen. Die Liste seiner Bücher, die Paula schließlich ausdruckte, war fast zwei Seiten lang, die der Ausstellungen noch um ein Vielfaches länger. Die Minuten verstrichen, während ihre Finger über die Tastatur flogen. Nur über sein Privatleben spuckten die Suchmaschinen keine Informationen aus. Es gab keinerlei Anhaltspunkte, ob Urban je verheiratet gewesen war, oder ob er Kinder gehabt hatte. Es war, als hätte der Fotograf nie ein Privatleben gehabt.
    Gerne hätte Paula weiterrecherchiert. Wenn es sie einmal gepackt hatte, dann ließ es sie nicht mehr los. Doch ein Blick auf die Zeitangabe auf dem Bildschirm sagte ihr, dass ihr nur noch zehn Minuten blieben, bis Markus sie abholte. Sie lief ins Bad, machte sich frisch. Es blieb ihr keine Zeit mehr, sich so umwerfend herzurichten, wie sie es vorgehabt hatte. Paula verfluchte den Umstand, dass sie nie rechtzeitig Schluss machen konnte, wenn sie am Recherchieren war. Es war wie eine Sucht: Sie konnte nicht aufhören, wenn sie einmal begonnen hatte. Aber vielleicht war es auch besser so. Sie streifte sich Jeans über und zog ein türkises T-Shirt an. Wenigstens passte der Aufdruck gut: living, loving, laughing – leben, lieben, lachen. Gerade als sie den Lippenstift

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