Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
wollten vornehmlich wissen, mit wem er worüber gesprochen habe, als ginge es darum, seinen politischen Partnern in der Bundesrepublik postum etwas am Zeug zu flicken.
Der vierte, zuletzt erörterte Komplex galt der Spionage, ob er also auf dem Territorium der Bundesrepublik nachrichtendienstlich aktiv gewesen sei. Dazu hatte der BND das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft hinzugezogen. Ganz klar, man hoffte, ihm strafrechtlich an die Karre fahren zu können. Schalck bestritt nach eigenem späteren Bekunden jeden Vorwurf in diese Richtung, womit keineswegs die Akte geschlossen werden sollte.
In den folgenden Jahren wurde etwa ein halbes Hundert Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, mehr noch, als etwa gegen DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil, der auf etwa dreißig kam, und jeden anderen DDR-Politiker. In sechs Fällen wurde schließlich Anklage erhoben, das längste Verfahren (rechtswidrige Bereitstellung von Devisen zur Finanzierung von Westimporten für die Waldsiedlung, Vertrauensmissbrauch und schwere Schädigung des sozialistischen Eigentums) zog sich acht Jahre hin, offenbarte aber das Aberwitzige der Anklage auf exemplarische Weise: Die Justiz der kapitalistischen Bundesrepublik wollte einen ehemaligen DDR-Bürger wegen vermeintlicher Vorstöße gegen die Gesetze des sozialistischen deutschen Staates verurteilen.
Doch wie die Sache auch ausging: Der Argwohn blieb erhalten, Alexander Schalck-Golodkowski könnte ein Doppelagent gewesen sein, das heißt: Er hatte nicht nur zwei Arbeitsverhältnisse in der DDR, sondern womöglich noch ein drittes im Westen. Der Verdacht speist sich aus den bereits genannten Umständen, wird genährt auch von der seit 1990 gültigen Wohnadresse und von gelegentlichen Veröffentlichungen in der Presse, wo süffisant auf die angeblich verschwundenen KoKo-Millionen verwiesen wird. Komisch, noch nie stellte einer die Frage, ob die 21.700 Kilogramm Gold nicht im Vorgarten in Rottach-Egern vergraben sind.
In einem Gespräch mit Heinz Wuschech zum Thema BND, Ende der 90er Jahre, äußerte sich Schalck, der Bundesnachrichtendienst habe es clever angestellt: Man hat »eine Expertengruppe zu mir geschickt und mir das Gefühl gegeben, Berater für die Wiedervereinigung zu sein«. Geld habe er keines angenommen, obwohl er es gebraucht hätte. »Ich wollte nicht zum Verräter werden und mir selber treu bleiben.« Volker Foertsch, Leiter der BND-Abteilung I (Beschaffung), zu deren Aufgaben die Quellenführung gehört, habe ihm für jede Stunde 500 D-Mark geboten, was er ablehnte. »Ich wäre mir sehr schäbig vorgekommen, wäre ich auf dem Niveau ›Wissen gegen Geld‹ gelandet. Ich wollte Wissen für die Wiedervereinigung vermitteln. Das war mein einziges Motiv.«
Die Gespräche mit dem BND – »manchmal saßen bis zu zwanzig Beamte um mich herum« – habe er nicht als Verrat empfunden. »Die Frage, ob ich zum Verräter geworden bin, stellte sich für mich nicht mehr. Staatsgeheimnisse der DDR gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.« Man habe ihm präzise Fragen gestellt, das wäre professionell gewesen. »Ich habe dargelegt, dass die DDR unter großen Anstrengungen, und vor allem durch den Einsatz meines Bereichs, erhebliche Devisenbeträge für neueste technische Produktionsmittel« aufgewandt hätte. Doch am Ende sei die DDR nicht mehr in der Lage gewesen, »die einfache Reproduktion zu sichern. Das konnte auch der Bereich Kommerzielle Koordinierung mit vielen anlagegebundenen Krediten nicht mehr leisten.«
Trotzdem: »Es ist unverschämt und überheblich zu behaupten, alles in der DDR sei verludert und verlottert gewesen. Das stimmt einfach nicht. Aber im Unterschied zu Kohl wussten das viele im Westen ganz genau. Die DDR wurde über den Tisch gezogen, es wurde im großen Stil Geld abgeschöpft. Es wurden abenteuerliche Geschäfte abgewickelt.« So Schalck dazu Ende der 90er Jahre gegenüber Wuschech.
Der Kontakt zum BND fand nach Aussage Schalcks sein Ende mit einem opulenten Abendessen im Hotel »Überfahrt« am Tegernsee am 16. März 1990. Gastgeber war BND-Präsident Hans-Georg Wieck, ein studierter Historiker und ehemaliger Botschafter. Vielleicht schenkte er deshalb das Buch von Sebastian Haffner, »in welchem die Rolle des kaiserlichen Geheimdienstes eine gewisse Rolle spielte, was wohl eine Anspielung auf unser beider Zweitberuf sein sollte. Die Botschaft lautete: Die deutschen Geheimdienste waren zu allen Zeiten top.« Und der BND spendierte dem Ehepaar
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