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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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voller Wut und törichter Hingabe an diese so einfache und so ablenkende Aufgabe. Mein Lappen klatschte auf den Boden wie das Knattern jener Fahnen im Wind, die munter vor einer Armee herflattern und später blutig und zerfetzt und um die verstümmelten Leichname der Lords geschlungen zurückgebracht werden. Trotz der vergleichsweisen Kühle des Stalls lief mir der Schweiß von der Stirn in die Augen. Ich war diese Arbeit nicht gewohnt. Meine Knie fühlten sich an wie wundgescheuert, obgleich sie es nicht waren. Ich war fast am anderen Ende des Stallbodens angelangt, als ich mit den Händen über meine schweißgetrübten Augen wischte und vor mir ein Paar polierte Stiefel stehen sah. Ich schaute hoch: Brant.
    Keiner von uns beiden sprach ein Wort. Ich verharrte einen langen Augenblick reglos auf die Knie gekauert und durchtränkt von Schweiß und Schmutzwasser. Zehn Tage lang hatte ich die Angehörigen des Hofes nur aus der Ferne gesehen und von ihnen nur durch dasGetratsche der Diener gehört. Brant hatte ich schon zehn Tage lang nicht gesehen.
    Jetzt, da er vor mir stand, hätte ich ihm am liebsten entgegengeschrien: Wo ist Jorry? War das in der zerfallenen Hütte Strafe oder Schutz? Warum hast du mich benutzt, um der Königin vorzulügen, du befändest dich im Besitz der Weißen Schalmeien?
    Aber ich schrie nichts, sondern blieb benommen auf dem Stallboden knien. Der Rang eines Dienstboten bringt unwillkürliche Ehrerbietung mit sich. Zehn Tage lang war ich in Veliano Dienstbotin gewesen, keine Harfnerin, die kurzzeitig die Hofgesellschaft unterhielt, sondern Tagelöhnerin, Küchenmädchen und Stallbursche. Ich konnte Brant nicht so ungeniert gegenübertreten wie an meinem ersten Abend im Palast. Und ich glaubte auch nicht, daß er mir antworten würde. Und im Kopf hatte ich die Gewißheit dessen, was ich in dieser Nacht vorhatte.
    Brant schaute an mir herab, als hätte er mich noch nie gesehen, sein Blick war so unpersönlich, daß er nicht einmal Kälte ausdrückte. Er hielt ein gefaltetes, mit grünem Wachs versiegeltes Papier in der Hand.
    »Wo ist der Stalljunge?«
    »Er ist nicht gekommen«, sagte der Stallmeister.
    »Und mein Page?«
    »Ich habe keinen Pagen gesehen, Mylord.« Wie leicht mir der Titel trotz allem über die Lippen kam! So also wäre es vor zehn Jahren gewesen, hätte ich ihn nach Erdulin begleitet. Ich hatte, so bitter das war, recht gehabt.
    »Dann wirst du diese Nachricht überbringen müssen. Bring sie Lady Cynda. Sie ist beim König im Sommergarten.« Ungeduldig und mit klopfender Stiefelspitze streckte er mir das Papier hin.
    Ich stand langsam auf.
    »Du brauchst keine Antwort abzuwarten.«
    Ich nahm das Schreiben entgegen. Brant wartete nicht ab, bis ich ging; er war ein Lord und gewöhnt, daß man ihm gehorchte, ich eine Scheuerfrau, die man erst gar nicht beachtete. Er verschwand nach außerhalb des Stalles, und ich hörte, wie er nach einem der Stallknechte rief und wie dann Laufschritte ertönten. Ich ließ Eimer und Lappen an Ort und Stelle und schritt über den Stallhof. Auf halber Strecke mußte ich plötzlich, wenn auch nur für einen Augenblick, stehenbleiben. Ich stellte mir Jorrys Gesicht vor, und keine Demütigung und keine Furcht vermochten es zu erschüttern.
    Der Sommergarten war zwischen der Rückseite des Schlosses und dem Fluß angelegt, so daß er bis zur Mitte des Vormittags im Schatten der Berge von Veliano lag, aber das half nicht viel. Auch hier herrschte Hitze und flimmerte träge wie Dampf über dem Fluß. Die Luft war von Blütenduft geschwängert. Unter einem großen Baum und außer Hörweite ihrer beiden Diener saßen König Rofdal und Lady Cynda auf einer geschnitzten Bank; sie zwirbelte langsam eine Blume, die weiße Blütenblätter über das glänzende Blau ihrer wallenden Röcke regnen ließ.
    Ich sah sogleich, daß der König schlechter Laune war. Er hatte sein verletztes Bein vor sich ausgestreckt, daß es noch dicker und heißer war durch die unter seine Kniehose gepolsterten Verbände. Als ich mich näherte, packte er das Bein mit einer Hand und verlagerte unter unbehaglichem und ungeduldigem Grunzen seine Position. Wußte er daß im Palast sein Kostüm abgeändert wurde, um einem anderen, kleineren zu passen? Er blickte zu mir hoch, wobei in seinen kleinen Augen deutlicher Ärger aus den fleischigen Falten seines schwitzenden Gesichts blitzte, und ich dachte mit sinkendem Mut, daß es Rofdals Reaktion auf meine Vorführung beim abendlichen

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