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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Maskenfest beeinträchtigen würde, wenn ich gerade eine wichtige Unterredung gestört hatte. Und er sah aus, als wäre er gestört worden. Nach dem Klatsch der Diener war Lady Cynda die Mätresse des Königs.
    Unwillkürlich sah ich mir Cynda genauer an. Sie war die schönste Frau, die mir jemals begegnet war; sie sah schon gar nicht mehr echt aus. Ungerührt und mit schwachem Lächeln spielte sie müßig wie ein Kind, doch mit unkindgemäßer Verschleierung mit ihrer Blume, als befände sich zwischen ihrer blonden Schönheit und der Welt ein unsichtbarer Vorhang, durch welchen sie mit wollüstigen Blicken unter gesenkten Wimpern hervorsah. Das also war Brants Frau. Der Junge, den ich gekannt hatte, hätte es nicht geduldet, eine Frau mit einem anderen, nicht einmal mit einem König zu teilen; Lady Cynda stellte eineweitere bittere Erinnerung daran dar, daß ich weder ihn noch etwas anderes noch mit Sicherheit kannte.
    Ich verbeugte mich vor Rofdal. »Entschuldigt, Euer Gnaden. Eine Nachricht für Lady Cynda von Lord Brant.«
    »Die Geschichtenspielerin«, meinte Rofdal gereizt. »Warum bei allen Schutzgöttern hat er keinen Pagen geschickt?«
    »Ich war gerade verfügbar, Euer Gnaden.« Aus Nervosität verbeugte ich mich überflüssigerweise noch einmal, als ich Cynda die versiegelte Nachricht reichte. So geschah es, daß ich mich tief über ihre Hand beugte, als diese Brants Botschaft berührte, und ich sah das Zittern der weißen Finger und die gierige Weise, mit der sich die goldgefärbten Nägel wie Krallen um das Papier schlossen. Erschreckt blickte ich hoch. Ein so flüchtiger Ausdruck, daß ich mir seiner nicht einmal sicher war, auf diesem hübschen Gesicht erschreckte mich noch weiter. Dann war er erloschen.
    »Und was weiß Lord Brant, Euer Ehemann, Euch zu berichten?« wollte Rofdal wissen. Aus dem Munde eines anderen hätte es vielleicht witzig geklungen; doch die Eifersucht eines Königs gehört nicht in diese Kategorie.
    »Nur, daß er fort ist, bis das Maskenfest am Abend beginnt«, erklärte Cynda wieder mit einem Lächeln. Sie hatte sogar weiße Zähne, und ein winziges vergoldetes Sternchen auf der Haut neben ihrem Mund lenkte die Aufmerksamkeit auf sie. Der Stern hatte sieben Zacken. T’Nig?
    »Er vernachlässigt Euch.«
    »Ach, aber Ihr doch nicht«, meinte Cynda, zwirbelte ihre Blume, und ich konnte ihrer Stimme keinen Beiklang entnehmen. Demnach hatte ich mich getäuscht; der Gesichtsausdruck hatte etwas anderem gegolten.
    Rofdal sah die Lady gereizt an und mich noch gereizter. »Du bist entlassen.«
    »Ja, Euer Gnaden. Danke, Euer Gnaden.« Ich zog mich durch den Sommergarten zurück und achtete sorgsam darauf, mich nicht umzusehen.
    Mein Eimer und Lappen befanden sich, wo ich sie zurückgelassen hatte, aber frische Fußspuren besudelten den Boden. In der feuchten Hitze konnte das Wasser nicht trocknen. Eine Stalltür stand offen, und daneben befand sich frischer Pferdemist. Demnach Brants Pferd. Das war die Box einer seiner Stuten, und sie hatte den Boden beschmutzt.
    Ich putzte alles auf.
    Als ich fertig war, durchquerte ich den Stallhof. Bedienstete standen gruppenweise auf der anderen Seite zusammen, unter ihnen einer von Rofdals Köchen, der gewiß genug anderes zu tun hatte. Ich hörte eine Flöte.
    Es war der begabte Junge, den Jorry und ich einmal hatten spielen hören. Jetzt war das Lied ebenso wie damals traurig und wehmütig und paßte kaum zu einem Festtag, aber niemand gebot ihm Einhalt. Die Diener blieben reglos stehen, der Koch hatte seine riesigen Arme auf der Brust verschränkt, und ein Page mit verwirrtem Blick runzelte sein sonnengebräuntes Gesicht. Er hörte Musik, die zu alt für ihn war. Die klagende Melodie der Flöte wirkte irgendwie althergebracht und vergessen seit dem Anfang der Welt, daß nur noch wenige Noten übrigblieben, die deshalb um so trauriger schienen, gleich Blumen, die man aus sentimentaler Erinnerung an eine leidenschaftliche Nacht aufbewahrt, bis nur noch trauriger, leidenschaftsloser Duft bleibt. Solange der Junge spielte, wandte keiner den Blick ab. Ich mußte daran denken, wie Brant gesagt hatte, Musik ergreife und löse das Bewußtsein, und ich mußte auch an Jorry denken, wie er der Flöte gelauscht hatte und sein Gesicht so offen gewesen war wie das des Pagen. Ich schritt weiter in den Palast hinein, wo die Vorbereitungshysterie für das Mittsommermaskenfest alle Musik übertönte.
     
    *
     
    Im Laufe des Mittsommertages wurde die Hitze

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