Schalmeienklänge
oben zu sehen.
»Deine Fähigkeiten sind in Küche und Ställen vergeudet, Geschichtenspielerin«, erklärte Rofdal, und ich erschrak bei dem Gedanken, woher er wußte, wie ich meine Zeit zubrachte. Ich durfte ihn nicht unterschätzen. »Von nun an werde ich dich mit dem Hof im Großen Saal speisen lassen, und deine Geschichten werden uns alle erheitern.«
Er lächelte mir zu, als würde mir eine große Ehre zuteil, wie das in seinen Augen ja auch zutraf. Ich war entsetzt. Ständig im Blickfeld von Brant, Leonore und Perwold zu sein… das königliche Lächeln ließ ein wenig nach, und ich sank auf die Knie. Rofdal gab sich so offenherzig wie ein großzügiges Kind; und wie ein Kind erwartete er überfließende Dankbarkeit.
»Danke, Euer Gnaden, danke… niemals zuvor wurde meine Kunst durch einen solchen Gönner geehrt!«
»Gönner, jawohl«, sagte Rofdal, und ich sah, daß das Wort ihm gefiel. In den Silberstädten finanzierten Höfe häufig die Künste; hier würde das seltener der Fall sein. Plötzlich erkannte ich das zwiespältige Bild, das Rofdal von sich selbst haben mußte: für Veliano der auch von sich selbst nicht in Frage gestellte Monarch, für die Händler, die Veliano zu seinem Reichtum verhalfen, ein ungeschliffener, provinzieller Herrscher. Wie deutlich begriff er ihre herablassende Haltung, und wieviel machte sie ihm aus? Auch Rofdal hatte also seine Fesseln. Das dürfte ich nicht vergessen.
»Es tut mir nur leid«, fuhr Rofdal fort, »daß du deinen Jungen zusammen mit Kalafas Handelskarawane in die Städte zurückgeschickt hast.« Und ich konnte mich nur wundern, weshalb er so dachte und wie das Gerücht aufgekommen war.
»Das Maskenspiel?« murmelte eine Stimme neben mir, und es klang wie eine verärgerte Frage: Wann findet das Maskenspiel denn endlich statt?
»Natürlich, das Maskenspiel!« rief Rofdal. »Sehen wir uns an, wie es sich neben der Erzählung der Geschichtenspielerin ausnimmt!« Er lachte schallend. Ich dachte, daß die Maskenspieler gut daran täten, das Stück recht unbeholfen aufzuführen, als wäre es durch Rofdals Ausfall auf der Bühne stark geschwächt. »Und Geschichtenspielerin, du wirst Gast deines Gönners sein.«
Panik durchflutete mich. Ich hatte andere Pläne gehabt. Es fiel mir zu schwer, in der Rolle der Handelnden zu bleiben; plötzlich schaffte es mein Denken nicht mehr, meine Absichten mit dieser unvorhergesehenen Einladung in Einklang zu bringen. Wie ein Reiter, der zu große Angst hat, sein Pferd von einem Graben wegzulenken, mußte ich die eingeschlagene Richtung weiterverfolgen und versuchen, mich an sie zu halten.
»Aber, Euer Gnaden… ich hatte versprochen, im Stallhof aufzutreten, nachdem ich meine Hände hier gespreizt hätte!«
Um uns her trat Stille ein; Rofdal wirkte verärgert. Man widersprach ihm nicht. Dann fand ich den richtigen Ton: »Aber Eure Untertanen werden zu Eurem Vergnügen gerne warten, Euer Gnaden.«
Ich betonte ›Untertanen‹ nur leicht und schloß mich selbst und all die ranglosen anderen ein, bei denen Rofdal so beliebt war.
»Nein«, erklärte der König, und sein Gesicht hellte sich auf. »Nein, du hast das Recht, Geschichtenspielerin. Unterhalte meine Untertanen – laß sie ebenso gut T’Nig und den ›namenlosen‹ Krieger sehen!«
Wieder war ich entsetzt. Das war eine neue Ironie: Ich konnte nicht sicher sein, ob ich die Geschichte noch einmal darstellen konnte. Was geschähe, wenn ich nicht dazu imstande wäre, weder jetzt im Stallhof noch an den kommenden Abenden im Großen Saal? Schließlich war nicht ich es gewesen, der sie geschaffen hatte.
»Vermutlich ist die Geschichtenspielerin erschöpft«, ertönte eine andere Stimme, und es war Lady Cynda, Brants Ehefrau. Sie lächelte mir zu, und der Ausdruck auf ihrem wunderschönen, puppenhaften Gesicht war ganz sorglose Freundlichkeit. Hinter ihr stand Brant. Sein Gesicht war gerötet, vielleicht vor Hitze, vielleicht vor Anstrengung und Erschöpfung. Ich konnte nicht sicher sein, aber das brauchte ich auch nicht. Er hatte die Geschichte geschaffen; nur er oder Leonore waren dazu in der Lage, und welcher von beiden es war, konnte ich nicht dem Inhalt der Geschichte, wohl aber ihren Auswirkungen entnehmen. Hätte ich heute abend wieder versagt, hätte Leonore mich umbringen lassen können; Rofdal hätte es nicht bemerkt. Aber die Geschichte von T’Nig hatte mich zum Liebling des Königs gemacht, und somit befand ich mich in Sicherheit. Brant hatte mich wieder
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