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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Schlägerei, wie sie letztendlich nicht ausbleiben konnte.
    Athio blickte finster drein und hatte das Fenster noch mit einem Auge im Blick. »Ich öffne das Zimmer nur auf Myladys Befehl.«
    »Starrkopf, hier geht es um Myladys Befehl!« Ich wedelte mit dem Schal vor seiner Nase. »Siehst du denn nicht, daß sie Wein auf das Tuch verschüttet hat? Mach auf, damit ich holen kann, wonach sie mich geschickt hat!«
    Das Gebrüll vor dem Fenster wurde erhitzter. Athios Kamerad machte: »Aaaah!« und hieb mit der Faust in die Luft. Athio drehte den Kopf zum Fenster, schaute mich verärgert an und ging dann zögernd über den Gang auf Cyndas Zimmer zu. Sowie er geöffnet hatte, war er auch schon verschwunden und stand wieder am Fenster. Ich streifte im Hineingehen die Tür und schloß sie wieder halb.
    Durch die vorgezogenen Vorhänge war es in Cyndas Zimmer ziemlich duster. Ich schnappte mir das erste Stück Stoff, das ich sah, und huschte dann zur Tür in der Seitenwand, an der die frischen, honigfarbenen Schnitzereien des neuen Schlosses erstrahlten.
    Panik bringt merkwürdige Früchte hervor. Als ich meine Hand an die Tür legte, die Cyndas Zimmer mit Brants verband, dachte ich nicht etwa: Was, wenn die Tür verschlossen ist? Ich dachte nicht: Vielleicht kann ich sie nicht finden. Ich dachte nicht: Wieviel Zeit bleibt mir, ehe Athio das Fenster verläßt und Myladys Zimmer betritt? All das und ein jedes für sich wäre vernünftig gewesen. Was ich jedoch dachte, und das so klar, als hätte ich alle Muße zum Nachdenken, war: Hierdurch, durch diese geschnitzte Tür kommt Brant also, wenn er mit seiner Frau schlafen will.
    Sein Zimmer war ebenso groß wie das ihre, nur schlichter eingerichtet. Tisch, Bank, zwei Truhen, ein breites Bett ohne den Winterüberwurf. Und in der Ecke ein kleiner Altar, über und über mit den Levkojenblüten der Vier Schutzgötter beschnitzt. Ein Altar – derartig unerwartete Frömmigkeit ließ mich für einen Augenblick auf der Stelle verharren, bis zehn Jahre verflogen und ich in Mutter Arcoas Speicher unter den feuchten Dachdauben kniete.
    Ein Geschichtenspielerlehrling lernt viele Dinge, wie alle, die in den Silberstädten durch Witz und Wagemut überleben. Als eine, die von beidem so wenig besaß, war ich eine dumme Schülerin für die Wettbewerbe der älteren Mädchen in Diebstahl und Einbruch gewesen. Doch nun benötigte ich keins von beidem. Deutlich sah ich in der Erinnerung Brant nackt neben mir knien, meine Hände zu dem Altar führen, den er gebaut hatte (er war kleiner und derber als der hier gewesen), und er legte sie bald hierhin, bald dorthin, bis die genauen Schnitzereien in der richtigen Reihenfolge verschoben waren und die Geheimschublade aufsprang.
    Ich kniete vor dem Altar, und meine Finger zitterten. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für einen schöpferischen Geist, um ein Muster unverändert zu behalten. Ich legte meine Hände mal hierhin, mal dahin, einzeln und zusammen, und die kleine Schublade, deren Umrisse im Wirrwarr der Schnitzereien nicht zu sehen gewesen waren, sprang auf.
    Noch bevor ich hineinschaute, erkannte ich den Geruch wieder. Da standen seine Phiolen, Beutel mit pulverisierten Kräutern und hinten in der Schublade fest in Seide geschlagen der Geruch dessen, wovon auch immer Leonore in jenem finsteren Raum unter dem Palast gegessen hatte.
    Einige der anderen Drogen kannte ich, andere auch nicht. Ich nahm von allem ein wenig, goß jedes in ein winziges Fläschchen, das ich verstöpselte und in die Geheimtaschen meiner Bluse steckte. Wie lange würde es dauern, bis Brant den Diebstahl bemerkte? Das zu bestimmen bestand keinerlei Möglichkeit, aber ich wußte von meinen eigenen Pülverchen, wie sehr man sich täuschen konnte, wie schnell sie in der getrockneten Form schrumpften und nach mehr aussahen, wenn man Flasche oder Beutel schüttelte und Luft in den Inhalt gemischt wurde. Die Eile machte mich ungeschickt, aber ich zerbrach keine Flaschen, und was ich verschüttete, wischte ich mit meinem Spitzentuch vom Boden auf, nachdem ich darauf gespuckt hatte, damit die Körnchen auch haften blieben. Das Verschüttete machte mich noch nervöser. Auch wenn einige Beutel ungeöffnet blieben, stellte ich alles wieder genauso hin, wie ich es vorgefunden hatte, stopfte das fleckige Tuch in den Ausschnitt meiner Bluse und warf die Schublade zu. Sie verschwand so vollständig in den Schnitzereien, als hätte ich sie mir nur eingebildet. Auch die Tür zu Brants Zimmer

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