Schalmeienklänge
beschützt, und zwar auf die einzig mögliche Weise: nicht, indem er mich selbst beobachtete, sondern indem der König ein Auge auf mich geworfen hatte. Und das mußte inzwischen auch Leonore aufgefallen sein.
Rofdal ließ mich wohlgelaunt gehen, und ich machte mich davon, meinen Beschützer zu verraten.
6
Es stimmte, daß die Bediensteten des Hofes im Stallhof unterhalten wurden. Im Hof neben der Küche war ein großes Festmahl für sie angerichtet worden, das später aufgetragen wurde als das der Höflinge – wenn nämlich ihre Arbeit getan wäre –, doch es entsprach in Umfang, Gängen und Weinmengen fast genau dem des Hofes. Nachdem es verzehrt war, taumelten die Bediensteten, ebenso wie die Höflinge das getan hatten, nach draußen, um Gaukler, Akrobaten und Harfner zu sehen. In meiner eigenartigen Zwischenstellung zwischen Bedienstetem und Gast würde man mich dort erwarten. Aber jetzt noch nicht.
Über dem Palast war ein einziges Donnergrollen zu vernehmen, als ich vom Fluß zum Schloß ging. Der Mittsommerstern hatte sich bereits umwölkt. Doch noch immer wollte der Regen nicht einsetzen, und hinter mir hörte ich, wie das Maskenspiel begann und der Hof, dessen Stimmung mit der Rofdals zusammen umgeschlagen war, den Kostümierten auf der Bühne fröhlich zurief. Die adligen Laienspieler würden keine leichte Aufgabe haben, wenn sie sich nicht von vornherein entschlossen, das Maskenspiel als Groteske aufzuführen. Jeder Schauspielanfänger aus den Silberstädten hätte ihnen sagen können, daß eine zweimal erzählte Geschichte einen unterschiedlichen Ton haben mußte – so wie ich Brants Geschichte variieren würde.
Ich schlüpfte durch den verlassenen Sommergarten in den Palast. Die meisten Säle und Gänge waren leer bis auf die gelegentlichen Wachen, die man zurückgelassen hatte/um Diebstähle zu verhindern, und die nun recht grämlich waren, weil sie die allgemeine Belustigung versäumten. In meinen zwölf Tagen in Veliano war ich durch alle Arten von Botengängen im ganzen Palast herumgekommen, und die meisten Wachsoldaten kannten mich vom Sehen. Durch die öffentlichen Räume kam ich unbehelligt, doch bei den Privatunterkünften würde es schwieriger werden.
In der oberen Galerie standen zwei Männer Wache, die am anderen Ende zusammenstanden, wo ein offenes Fenster den Blick auf den Fluß freigab. Offensichtlich war etwas von den Belustigungen in Dorf und Palast von den Stallhöfen auf diesen Teil des Rasens übergegangen, denn ich konnte durch das Fenster Rufe und Lachen und gelegentlich schlecht gespielte Lautenmusik vernehmen. An meinem Ende des Ganges hing ein hoher Teppich von der Wand, hinter dem ich halb verborgen stehenblieb und die Wachen beobachtete. Ich wartete.
»Gib mir noch einen, Athio.«
»Es ist nichts mehr da.«
»Ja, von wegen! Gib schon her!«
Athio reichte eine Flasche weiter. Der andere lehnte sich zum Trinken an die Wand, legte den Kopf zurück, und seine Kehle hüpfte mit jedem Schluck. Ein plötzlicher Windstoß vom offenen Fenster her trug mir ihren Geruch zu: Leder, Bier, Männerschweiß. Ich dachte, wie schlecht ich doch für diese Art gefährlicher Intrige gerüstet war und wie sehr ich sie verabscheute. Meine Hände waren feucht von Schweiß, während mein Gesicht kühl und trocken geworden war, und ich hoffte verzweifelt, daß ich nicht ohnmächtig würde.
»Du hast alles ausgesoffen.«
»Ein paar Tropfen sind noch drin.«
Athio fluchte wortreich. Die beiden gafften einander an. Athios Hand wanderte zu seinem Messer, sank jedoch nach der halb ausgeführten Bewegung, ob nun wegen der Wärme, seiner Trägheit oder seiner zittrigen Hand, und er richtete statt dessen mürrisch den Blick aus dem Fenster.
Ich wartete, wie es mir schien, lange Zeit. Donner rollte; wenn der Regen zu bald einsetzte, wäre für mich jegliche Chance dahin. Schließlich ertönte von draußen ein Ruf, gefolgt von lautem Stimmengewirr und aufgeregten Schreien, über die ein gellendes Kreischen drang, das ich als Ludies erkannte. Beide Männer stürzten zum Fenster. Ich schoß hinter dem Teppich hervor und lief rasch hinzu.
»He! Wachen! Lady Cynda will sofort ihren anderen Schal, öffnet ihr Zimmer!« Athio drehte sich zu mir um; der andere verharrte am Fenster. Ich hielt ihnen ein Stück Spitzenstoff entgegen, dessen Rest ich zusammengeknüllt so unter dem Arm trug, daß es ein Schal hätte sein können. Von außerhalb des Fensters ertönte der Lärm einer heftigen
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