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Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Titel: Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meike Nilos
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Zeit in die Flucht. Sie existierte nicht mehr. Da war nur noch Willoughby. Seine Augen, seine Haut, deren Wärme ich spüren konnte, auch wenn ich sie noch nie berührt hatte. Seine Hand, die sich um die Teetasse legte, während er mein Gesicht fixierte. Ich spürte seine Finger auf meiner Wange, spürte, wie er mit dem Daumen die Konturen meiner Lippen nachfuhr, wie er sich näher zu mir beugte, sein Atem über meinen Hals strich. Ich zitterte so sehr, dass ich die Tasse kaum halten konnte.
    Elinor befühlte meine Stirn und erkundigte sich besorgt nach meinem Befinden. Und ja, ich war krank. Fiebrig erfüllt von Gefühlen, die ich nicht benennen konnte. Sie wollte mich nach Hause bringen, doch Willoughby lachte und sagte: „Ich bin sicher, Miss Dashwood braucht nur etwas Abkühlung. Es ist heiß hier drinnen, nicht wahr, Miss Marianne?“
    „Ja“, flüsterte ich und senkte die Augen. Meine Wangen brannten, doch das war nichts im Vergleich zu dem Feuer, das in meinem Magen loderte. Und zwischen meinen Schenkeln.
    Ich erhob mich und trat an das große Fenster, ließ meine Blicke über die Rosenbüsche gleiten und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Ich spürte Willoughby, bevor ich seine Stimme dicht an meinem Ohr hörte. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, ein paar Schritte mit mir durch den Garten zu gehen, Miss Marianne?““
    Seine Stimme klang wie das Rauschen des Ozeans, sein Atem blies Bilder durch meine Gedanken, die ich unmöglich selbst ersonnen haben konnte. Bilder aus feurigen Rot- und Violetttönen gemalt, voller Fabelwesen und barbusiger Nymphen, die sich den Händen der Faune ergaben. Ihren Lippen. Willoughby öffnete die Terrassentür und ich stürzte ins Freie.
    „Du solltest einen Schal umlegen!“, hörte ich Elinors mahnende Stimme. Und Willoughbys Lachen, das mir folgte, mich umschlang und mir die Luft aus den Lungen presste.
    Ich floh den weißgekiesten Weg entlang, vorbei an frischgestutzten Buchsbaumtieren und blühenden Hortensienbüschen, die ihre Blüten vorwurfsvoll im kühlen Wind wiegten. Ich war ein Schaf auf der Flucht vor dem Wolf. Aber Willoughby war kein Wolf, er war ein Jäger. Überlegt und besonnen, im Wissen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er mich erlegen würde. Und so sehr ich mir auch einzureden versuche, dass es nicht so war, muss ich mir eingestehen, dass ich erlegt werden wollte. Ich wollte. Ihn, uns, alles, auch wenn ich nicht einmal wusste, was alles bedeutete.
    Er holte mich vor dem Eingang des Heckenlabyrinthes ein. Lachend, schwer atmend, die Augen noch dunkler, die Blicke unverschämt auf mein Dekolletee gerichtet, packte er mich am Arm und ich schlug ihm die flache Hand ins Gesicht.
    „Miss Marianne“, sagte er. Mein Name klang aus seinem Mund so ungewohnt. Wie der Name einer Fremden. Mit der freien Hand strich er mir eine Strähne aus der Stirn.
    Ich schnappte nach Luft, versuchte mich aus seinem Griff zu winden und hoffte, dass es mir nicht gelingen mochte.
    „Marianne?“
    Elinors Stimme! „Lassen Sie mich, Mr Willoughby“, flüsterte ich heiser. „Bitte!“
    „Wovor haben Sie Angst, Miss Marianne?“ Sein Gesicht war jetzt nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Sein Atem roch nach Tee und Pfeifenrauch. Seine Lippen. Eine unsichtbare Kraft zog mich näher an ihn heran, als wäre ich eine Marionette, von einem unsichtbaren Puppenspieler gelenkt. Meine Brüste berührten seine Brust. Ich gab einen leisen Schrei von mir.
    Wieder Elinor Stimme.
    „Wir sind hier, Miss Elinor“, rief er, ohne mich loszulassen, oder den Blick von mir abzuwenden. Wie zufällig berührten seine Lippen meine Wange, als er sich umdrehte und mich los ließ. Ein Schauder lief meine Wirbelsäule hinab, meine Knie zitterten.
    „Ach, da bist du ja!“ Elinor eilte auf mich zu und legte mir den Schal um die Schultern. „Verzeihen Sie, Mr Willoughby“, sagte sie. „Marianne ist so ungestüm. Danke, dass Sie sie gefunden haben.“
    Ich hob trotzig das Kinn. „Ich möchte nach Hause, Elinor. Ich fühle mich nicht wohl.“
    Willoughby sah demonstrativ an mir vorbei und verbeugte sich vor meiner Schwester. „Bringen wir Miss Marianne ins Haus, bevor sie uns noch einmal entwischt.“
    Ich stieß hörbar den Atem aus. Elinor legte die Hand auf meinen Arm und sah mich bittend an. „Mr Willoughby hat recht“, sagte sie. „Wir werden hinein gehen.“ Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Ich hasste es, wenn sie sich aufführte, als wäre sie

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