Schampanninger
ich meinen Laden wieder zu und ging zu Fuß in die Innenstadt.
12
Scheu um sich blickend trat Susi aus dem Weißbräu. Ich sprach sie an.
– Wo wollen wir hin?
– Hoch zum Christkindlmarkt auf einen Glühwein, schlug ich vor.
Wir gingen ein Stück hinauf zum Marienplatz, wo vom ersten Adventswochenende an die Buden aufgebaut waren. Bratwürste, Maroni und gebrannte Mandeln gingen immer. Inzwischen war aber das Kunsthandwerk mit seinen Produkten auf dem Vormarsch. Salzlampen auf Rosenholzsockel, mitdenen man auch auf ungeheizten Klos Feng-Shui machen konnte, Dinkelkissen oder Schnitzereien aus Hirschhorn. Wie jedes Jahr nahm ich mir vor, mich beim nächsten Mal um einen Stand zu bewerben. Was hätte unsereiner mit seiner Qualitätsware hier für Verkaufschancen.
Wir steuerten einen Stand an, um den herum tannenzweiggeschmückte Tische aufgestellt waren.
– Und kommst du gut klar mit deinem Chef?
Susi blickte von ihrem Glühwein auf.
– Wie meinst du das?
– Mehr im menschlichen Sinn.
– Geht schon. Wir machen unsere Arbeit. Und meine ist gut bezahlt.
– Betatschen inklusive?
Susi knallte ihr Glas auf den Tisch.
– Frech werden, oder was?
Meine Eröffnung war alles andere als geschickt. Aber wieder einmal konnte ich nicht aus meiner Haut. Wenn mir etwas gegen den Strich ging, brachte ich kein vernünftiges Gespräch zuwege.
– Jedenfalls habe ich gesehen, wie Berni an dich rangegangen ist. Den Rock hatte er schon hochgeschoben.
– Und das war es dann auch schon. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mir das gefallen lasse. Ich weiß mich zur Wehr zu setzen.
Ich runzelte die Stirn. Aber wie konnte man nach so einem Vorfall weiterhin für Berghammer arbeiten?
– Ich weiß schon, was du denkst, sagte Susi. Schau, vorher war ich nur auf Probe. Jetzt bin ich fest. Du musst das ausnützen, wenn so einer auf dich steht. Und natürlich aufpassen, dass er nicht übergriffig wird.
– Arsch lecken, erwiderte ich.
Ich spuckte ein Nelkenstückchen auf den Boden.
– Wo lebst du denn? Einer wie du mag vielleicht noch als Jennerwein unterwegs sein. Unsereiner braucht das Geld. Dringend. Dass sie dich als Bedienung anmachen, ist normal. Meinen Stolz behalte ich so oder so.
– Ist okay, sagte ich.
Vielleicht war sie ja doch eine gute Haut. Ich nahm einen Schluck aus dem Glühweinbecher.
– Und wie war das mit mir an dem Abend? Hast du etwas gesehen?
Susi legte mir die Hand auf den Unterarm.
– Nichts. Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen. Es hat nur geheißen, dass du geklaut und randaliert hast. Und dass es eine Schlägerei gegeben hat. Wirklich!
Ich glaubte ihr. Sie machte Anstalten zu gehen.
– Eine Bitte hätte ich noch, sagte ich.
Sie nickte.
– Das goldene Buch, du weißt schon: mein Nikolausbuch habe ich dir doch gegeben.
– Oh je, sagte sie. Müsste beim Berni im Büro sein.
– Kannst du da nachschauen? Da war etwas drinnen, was mir sehr wichtig ist.
– Mache ich.
– Und euer Grobschmied, der Schankkellner: Wie heißt der denn?
– Warum? Ist das wichtig?
– Vielleicht hat er etwas gesehen.
– Der Alois? Hieber heißt er.
Sie zuckte skeptisch die Achseln.
– Hast du eine Adresse?
– Irgendwo in der Au. Sonst noch was?
Ich schüttelte den Kopf.
– Vielen Dank für den Glühwein.
Wir gaben uns die Hand.
13
Dass es in München keine Einheimischen mehr gäbe, davon kann natürlich keine Rede sein. Der begüterte Münchner ist überall auf der Welt zu Hause, in Tokio so gut wie auf der nobel gewordenen Schwanthaler Höhe. Wer allerdings mit seinem Gehaltszettel an Hartz IV gerade noch so vorbeischrammt, hat da nichts mehr verloren. Die Innenstadt hat der Unterdurchschnittsverdiener schon lange aufgeben müssen und die Lederhosen sowieso, weil sich Tracht aus den Niederungen der Kepa-Billigabteilung ins Geldige hoch entwickelt hat. Dem Kleidungsstil des Einheimischen hat das nicht gutgetan, er ist hausmeisterlich geworden und man trägt jetzt graue Kunststoff-Elastikhosen, karierte Hemden und Parkas, bei denen man die Hand nicht umdrehen möchte, ob sie mal grau oder grün waren. Die Filzhüte, die man sich dazu auf den Kopf setzt, sind ebenfalls grau mit schwarzen Punkten, als hätte man einer besonderen Rasse von Tüpfelhyänen das Fell abgezogen. Natürlich trifft man solche Einheimische hin und wieder in der Innenstadt an diesem oder jenem Freiausschank oder beim Trachtenumzug zum Oktoberfest, in Rudeln treten sie aber nur noch in der Au oder
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