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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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inGiesing auf. In solchen Vierteln mag sich der neureiche Eroberer vorkommen wie damals der weiße Mann in den Indianerreservaten, nur dass die Gesichter der einheimischen Münchner weniger vom Branntwein als vom Bier gezeichnet sind.
    Alois Hieber wohnte möbliert in der Humboldtstraße. Sein Vermieter, ein schnurrbärtiger Mann in roter Fleecejacke, der reichlich Hüftgold aufgepackt hatte, öffnete die Tür. Ich fragte nach Alois. Er zuckte die Achseln. Die Frage nach seinem Zimmer beantwortete er, indem er mit vorgerecktem Kinn die Richtung bezeichnete. Das Zimmer war leer, allerdings spielte das Radio.
    – Ich täte es im Auwirt probieren, knurrte der Dicke.
    Man sollte dennoch nicht am bayerischen Menschen verzweifeln, seine Grantigkeit ist nur der Versuch, die Fährnisse des Gesprächs mannhaft zu umschiffen. Die bayerische Rede ist kein munterer Quell, der geradeaus über Stock und Stein liefe, sondern ein träges Wasser, das in jede verfügbare Breite ausmäandert. Der höflich antwortende Bayer ist deshalb in seiner Beflissenheit so hilflos wie ein auf dem Rücken liegender Maikäfer. Er schafft sich an den sinnlosesten Konjunktiven ab, was eventuell sonst noch alles hätte sein oder stattfinden können, und es kommt nichts dabei herum.
    Ich betrat die Wirtschaft. Tatsächlich saß Alois am Tisch vor einer Halben Bier und einer Roulade mit Rotkraut und Knödel. Der Wirt verfolgte meinen Weg durch die Gaststube, fasste sich an den Hosenbund und zog seine Augenbrauen wie Jalousien hinauf und hinunter. Deutlicher konnte man eine Warnung nicht ausflaggen. Ich trug an der bezeichneten Stelle einen Totschläger. Das Ding beulte meine Jacke aus. In meinem angegriffenen Zustand tat mir eine solcheRückversicherung gut. Die frühzeitige Entdeckung allerdings hatte ich vermeiden wollen. Aber da musste ich nun durch. Ich klopfte zweimal auf den Tisch.
    – Servus.
    Alois musterte mich. Mit Knödel und Roulade sah er vertrauenerweckend leger aus. Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken.
    – Servus.
    – Kennst mich noch?
    Alois schüttelte den Kopf und zupfte sich die Bartenden aus den Mundwinkeln.
    – Woher denn?
    – Als Nikolaus.
    – Au weh!
    Er wiegte bedenkenvoll sein Haupt. Ich beobachtete ihn genau. Als er in seine Tasche fasste, hatte ich die Hand bereits am Totschläger. Er holte jedoch ein Taschenmesserchen hervor, mit dem er den Zahnstocher aus der Roulade herausoperierte. Er stippte das Hölzchen in den Aschenbecher und grinste.
    – Nur die Ruhe, sagte er. Ich tu dir nichts.
    – Wer es war, möchte ich wissen.
    Alois überlegte. Dabei säbelte er ein gurkengrünes, schinkenrotes und fleischbraunes Rädchen ab und kostete. Kauend legte er das Besteck auf den Tellerrand und hakte seine beiden Zeigefinger ineinander.
    – Du bist doch keiner aus dem Löbe-Heim, oder?
    – Nein.
    – Na also. Dann warst du der Falsche. Um den anderen wäre es gegangen, verstehst?
    Er zwinkerte bauernschlau.
    – Nichts, nur Bahnhof!
    – Also der Bursche, der eigentlich den Nikolaus hätte machen sollen, hat Händel gehabt. Weiß der Teufel warum. Jedenfalls ist so ein Riesenmannsbild zu mir gekommen und hat gefragt, wo wir den Nikolaus herhaben. Habe ich natürlich gesagt: aus dem Löbe-Heim, verstehst?
    – Du meinst, dass es gar nicht um mich ging.
    Befriedigt nickte Alois und säbelte noch ein Stück Roulade ab.
    – Der muss es gewesen sein. Glaube ich wenigstens.
    Seine Schlichtheit war entwaffnend. Ich war verblüfft. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Ich nehme alles persönlich, was mir über den Kopf gezogen wird. Alois beobachtete mit großer Sympathie meinen Denkprozess. Am Ende war mir klar, dass nun unserem Gespräch jeder Anlass entzogen war. Verwirrt verabschiedete ich mich. Der Weg durch die Gaststube kam mir unendlich lang vor. An der Theke stand der Wirt und wusch Gläser. Sein Mienenspiel hatte etwas, wie es bei uns heißt: Hinterkünftiges.
    Ich ging zu Fuß Richtung Schlachthof, um mich sortieren zu können. Die Dunkelheit war bereits heraufgezogen und lag wie eine schwere Decke über den Isarauen. Dazu kam Nebel, denn die Temperaturen waren deutlich über null und eher herbstlich. Unter der Wittelsbacherbrücke quoll Rauch hervor, zwei Penner versuchten sich mit einem Lagerfeuer Wärme zu verschaffen. Ich schaute auf den strudelnden Fluss hinunter, ein Stück weiter dann, schon links der Isar, wusste ich, dass mir Alois einen Bären aufgebunden hatte. Das Koks, vor allem die beiden Versuche,

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