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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Dort habe ich die Briefe aufbewahrt.«
    Wrangel folgte Abelson quer durch den Salon in das dahintergelegene Kabinett. Es war deutlich kleiner. An der linken Wand standen zwei große Bücherschränke. Bewundernd warf Wrangel einen Blick auf die vielen in Leder gebundenen Bände, die sich dort hinter Glas befanden. Der überwiegende Teil der Bücher war auf Latein verfasst, aber auch englische sowie griechischeund hebräische Werke entdeckte er. Selbst eine Bibel in Luthers Übersetzung besaß Abelson. In der Mitte des Kabinetts stand ein großer französischer Schreibtisch aus dunklem Ebenholz und füllte beinahe den ganzen Raum. Neben ihm, auf einem kleinen, passenden Tisch vor dem Fenster, befand sich ein Globus. Schräg dahinter hing neben dem Fenster eine in Kupfer gestochene Karte Hamburgs. Sie war so präzise, dass man nicht nur jede Mauer der einzelnen Bastionen der Wallanlagen, sondern auch jede Straße und Gasse, ja nahezu jedes Haus in der Stadt genau erkennen konnte. Einem Igel gleich lag Hamburg mit seinen wie Speerspitzen hervorstechenden zweiundzwanzig Bastionen an die Elbe geschmiegt da. Die Kanäle und Fleete der Alster durchzogen die Stadt wie Adern, bevor sie schließlich im Hafenbecken hinter dem Baumwall mündeten.
    Wrangel ließ noch einmal seinen Blick durch den kleinen Raum schweifen. Dieses Kabinett sah nicht aus wie die Schreibstube eines Händlers, es war das Arbeitszimmer eines wohlhabenden Gelehrten. Allein die Bücher mussten ein nicht unbedeutendes Vermögen ausmachen.
    Abelson unterbrach Wrangels Überlegungen. »Hier, Prokurator, befindet Ihr Euch inmitten der Dinge, die mir zum angenehmsten Zeitvertreib dienen. Kommt doch bitte herüber an den Schreibtisch und nehmt Platz, damit wir uns die Briefe näher anschauen können.«
    Wrangel beeilte sich, neben den alten Mann zu treten und einen Blick auf die Briefe zu werfen.
    »Um eine Nachricht entschlüsseln zu können, kann jede noch so kleine Information wichtig sein. Sie könnte einen Hinweis auf die Art der Chiffrierung geben. Soweit wir bisher wissen, haben wir es hier bei den beiden Schreiben mit ein und demselben Absender zu tun. Dies verrät uns neben dem Siegel auch die Schrift.Beide Briefe wurden zu einem ähnlichen Zeitpunkt verfasst, aber verschiedenen Boten übergeben. Tatsächlich aber haben sie beide denselben Bestimmungsort, wenn ich Euch richtig verstand.«
    »Genau. Heute früh, bevor ich ans Gericht ging, war ich nochmals bei meiner Mandantin und befragte sie nach den Briefen. Sie sagte mir, sie hätte den einen Brief von einem erkrankten Boten übernommen. Beide Briefe sollten nach Lübeck. Sie sagte, bei der Übergabe hätte man ihr zur Identifizierung das Siegel zeigen müssen. Das Gleiche galt wohl für den anderen Brief des zweiten Boten. Übernommen hat sie den zweiten Brief in Wandsbek, einen halben Tagesmarsch von Hamburg entfernt und gut zwei, bei schlechtem Wetter auch drei bis nach Lübeck.«
    »Was wisst Ihr über den Absender? Wurden die Boten gut bezahlt?«
    »Es war wohl kein schlechtes Geschäft, aber dennoch nicht so gut, denn sie ließ die Briefe schließlich einfach liegen und verzichtete damit auf weitere Aufträge dieser Art.«
    »War es das erste Mal, dass sie als Botin für diesen Absender ging?«
    »Nein, sie hatte es wohl schon das eine oder andere Mal getan. Genaueres wusste sie nicht mehr. Es war angeblich immer derselbe Mann, der ihr die Briefe gab. Sie beschrieb ihn als groß, kräftig und blond. Also keine Seltenheit in dieser Gegend.«
    »Die Briefe sind somit kurz hintereinander, vielleicht sogar zugleich aus Hamburg abgeschickt worden. Sie haben denselben Weg und denselben Empfänger. Aber sie reisen jeder mit einem anderen Boten. Daraus können wir schließen, dass sie nicht miteinander in Verbindung gebracht werden sollten. Es dürfte also ein reiner Zufall, wohl ein unglücklicher für den Absender, gewesen sein, dass die beiden Briefe in die Hand von ein und demselben Boten gerieten. Das spräche auch dafür, dass man genau diese Schreiben bei Euch suchte, als man Euch überfiel. Denn man wusste, wer die Boten waren. So können wir vermuten, dass diese Briefe zueinander in einer Beziehung stehen, dass also das Schreiben mit der lesbaren Nachricht einen offenen Code enthält.«
    Wrangel schaute Abelson fragend an. Er hatte keinerlei Ahnung von Verschlüsselungen. In seinem bisherigen Leben hatten Dinge dieser Art keine Rolle gespielt. »Was ist ein offener Code, Herr

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