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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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nicht tot vom Richtplatz schleift, so schleift man mich geschändet vor die Tore der Stadt. Dann werde ich nicht durch des Henkers Hand sterben, sondern vogelfrei irgendwo durch die Hand irgendeinesStrolches. Doch meine verletzte Ehre werde ich dann nicht mehr rächen können.«
    »Und für deine  Ehre müssen auch Unschuldige sterben?«
    »Niemand ist unschuldig, Prokurator.«
    Wrangel schüttelte resigniert den Kopf und erhob sich. »Wir sehen uns später im Rathaus. Die Urteilsverkündung wird dort durch den Bürgermeister, der zugleich der oberste Richter ist, erfolgen.«
    Bunk nickte stumm und trank einen Schluck Bier. Es war schon der zweite Krug, den sie an diesem Morgen leerte. Er stieg ihr zu Kopf. Seit ihrer Urgicht brachte ihr Jürgen jeden Morgen eine fette Grütze und einen kleinen Krug Bier, so wie es Asthusen ihr zugesagt hatte.
    Bunk verzog ihren Mund zu einer bitteren Grimasse. Dass es ausgerechnet ein Henker sein würde, der ihr das bittere Leben ein wenig versüßte. Wie viel Leid sie schon hatte ertragen müssen, wie viel bittere Seelenpein. Sie dachte an ihre Mutter und spürte, wie die Tränen sich ihren Weg bahnen wollten.
    Nein! Wie ein wackerer Kavallerist wollte sie bis zum bitteren Ende mutig und tapfer sein und ihre Ehre retten. So wie ihr Vater. Und sie summte die alten Lieder von damals, die sie, auf seinem Schoß reitend, lauthals mit den wackeren Soldaten des Verdener Regiments zusammen gesungen hatte.
60
    S chlag zehn Uhr schoben zwei Gerichtsdiener Bunk in den großen Saal des Rathauses. Überall standen Wachen, aber die mit scharlachrotem Stoff beschlagenen Bänke waren leer. Bunk schaute scheu und verängstigt um sich. Es waren tatsächlich keine Zuschauer anwesend. Nur am Ende des Saales stand quer ein schmaler Tisch, ebenfalls bis zum Boden scharlachrot bedeckt und mit dem Hamburger Wappen in Silber verziert, hinter dem vier Männer saßen: die beiden amtierenden Bürgermeister sowie ihre Vorgänger. Vor ihnen auf dem Tisch lagen, in roten Samt eingeschlagen und in silberne Ecken gefasst, ein dickes Buch, daneben silbernes Schreibzeug und eine Sanduhr.
    Hinter den Bürgermeistern machte Bunk, als sie aus dem Gegenlicht trat, weitere Menschen ausfindig. Vierundzwanzig zählte sie, alle in schwarze Mäntel gekleidet und die Köpfe mit spitzen Hüten bedeckt, so wie auch die Bürgermeister vor ihnen. Es mussten die Ratsherren sein. Sie bildeten das Obergericht, die höchste juristische Instanz der Stadt.
    Plötzlich hörte Bunk, wie sich die schwere Tür hinter ihr erneut öffnete, und versuchte sich umzudrehen. Cäcilie wurde hereingeführt, hinter ihr Jähner. Die Gerichtsdiener führten alle drei zu einer unscheinbaren Bank in der Mitte des Saales und drückten sie nieder.
    Als Bunk sich zu Cäcilie wandte, spuckte die ihr vor die Füße. »Mögest du elendiglich krepieren, du Miststück.«
    Bunk biss sich auf die Lippen. Nein, sie musste nichts mehr sagen. Die Richter würden es für sie tun.
    Auf einmal wurde es laut im Saal. Die Türen hatten sich erneut geöffnet, und die Zuschauer strömten hinein. Alle hielten den Kopf bedeckt. Der Saal füllte sich bis auf den letzten Platz, und ein Geruch nach Körperausdünstungen und feuchten Kleidern erfüllte die Luft. Auf einer Bank seitlich zu den Bürgermeistern erspähte Bunk ihren Prokurator. Auch er war ganz in Schwarz gekleidet.
    Der Gerichtsdiener klopfte mit seinem Amtsstab auf den Boden, und Ruhe trat ein. Kurz darauf ergriff auch schon der Pronotarius des Obergerichtes, ebenfalls ganz in Schwarz, das Wort und eröffnete die Sitzung. Nachdem er die Formalien geklärt hatte, mussten sich alle erheben, um die Urteilsverkündung im Stehen zu hören. Bunk suchte Wrangels Blick. Der stand ruhig zwischen den beiden anderen Prokuratoren und fixierte etwas an der Wand über den Köpfen der Ratsherrn. Bunk folgte seinem Blick und bemerkte ein kleines Bild, auf dem eine in ein wallendes Gewand gekleidete Frau eine Waage in der Hand hielt. Ihre Augen waren verbunden. Justitia.
    Auf einmal hörte sie ihren Namen. Es kam die Reihe an sie.
    »Das Obergericht der Freien Reichs- und Hansestadt Hamburg ist zu dem Urteil gekommen, dass Ilsabe Bunk schuldig ist in folgenden Anklagepunkten: Erstens, sie legte ihre Weibeskleider ab und Manneskleider an und nahm auch den Namen eines Mannes an, um unter solchem Schanddeckel allerhand schändliche Dinge, Betrügereien und Zauberpossen zu treiben. Zweitens hat sie sich mit der Mitgefangenen

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