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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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bewegt, überden wir eben sprachen. Diese Frau, das ›Schandweib‹, wie Ihr sie nennt, hatte in ihrem Leben nie die Möglichkeit, ihr weibliches Wesen zu entfalten. Sie wurde früh zur Waise und hat sich stets selbst ihrer Haut erwehren müssen gegen so manchen Kerl, der ihr zu nahe kam. In solcher Not, der sich nicht entfliehen lässt, ist es doch verständlich, dass dieses Weib sich in Manneskleidern versteckte.«
    »Nicht die Flucht in Männerkleider ist es, Ruth, was dieses Geschöpf so verwerflich macht. Zwar ist auch solche Kleidung schon eine Täuschung der anderen, die nicht ungestraft hingenommen werden kann, soll die öffentliche Ordnung aufrechterhalten werden. Stell dir nur vor, man könnte sich nicht mehr darauf verlassen, dass ein Mensch auch der ist, der er vorgibt zu sein. Zweifel und Misstrauen griffen allerorts um sich und störten die Sicherheit, die zum Gedeih des gemeinschaftlichen Lebens nötig ist. Aber das wirklich Verwerfliche ist doch, dass dieses Weib sich nicht in Männerkleider hüllte, um sich zu verstecken, sondern um Frauen nachzustellen und einer frevlerischen Lust die Zügel schießenzulassen. So hat dieses Schandweib jene Frauen, die sich ihr in dem Glauben anvertrauten, sie hätten es mit einem Mann zu tun, aufs tiefste und unsittlichste betrogen und zugleich jene Frauen mit in die Sünde der Sodomie gezerrt und Schande über sie gebracht.«
    »Und wenn sie dies nun tat, weil ihr Herz sich so sehr nach Liebe sehnte?«
    »So hätte sie die Liebe in Gott suchen und finden können, mein Kind.«
    »Aber die lutherische Kirche hat doch die Klöster aufgelöst und das monastische Leben verdammt.«
    »Keineswegs. Viele Klöster und Konvente wurden erhalten, wenn sie denn zum lutherischen Glauben wechselten. So beispielsweise das Kloster Medingen, das im Lüneburgischen liegt und nun schon seit weit über hundert Jahren als Damenstift fortbesteht. Es ist die Herberge so mancher ledigen Patriziertochter geworden.«
    »Glaubt Ihr wirklich, die Waise eines Dragoners wäre in einem Damenstift untergekommen?«
    »Ruth, wir Christen sorgen uns um unsere Brüder und Schwestern. Es ist ein Akt der Nächstenliebe, der uns zutiefst mit unserem Herrn Jesus verbindet. Das mag dir, die dem mosaischen Glauben anhängt, fremd sein. Aber glaube mir: Hätte dieses Weib voll Inbrunst zu unserem Herrn gebetet und sich demütig dem Schutz der Kirche anvertraut, so hätten sich bestimmt Türen für sie geöffnet, um ihr Schutz und ein ehrbares Leben zu gewähren.«
    Margarete Claussen faltete nach dieser Feststellung bedacht die Hände, um ihren Worten einen würdigen Nachdruck zu verleihen. Ruth ahnte, dass sie sich nicht weiter auf dieses gefährliche Gebiet der christlichen Fürsorge und Nächstenliebe begeben sollte. Zu leicht konnten da ihre Zweifel an konkreten Gegebenheiten als Missachtung des Christentums verstanden wurde. Und das wiederum war das Gefährlichste, was Juden in der christlichen Welt passieren konnte. So nickte sie bedächtig und sann darauf, das Gespräch zurück in sichere Gefilde zu führen.
    »Aber was kann man tun, wenn es nicht der Wunsch nach Liebe, sondern die Liebe selbst ist, die einen treibt?«
    Margarete Claussen horchte auf und fixierte aufmerksam Ruths Gesicht. »Jetzt reden wir aber doch wohl von anderen Dingen, nicht wahr?«
    Ruth nickte. Ohne es verhindern zu können, waren ihre Gedanken von dem Schandweib direkt zu dessen Verteidiger, Hinrich Wrangel, geglitten. So wie sie es seit ihrer gemeinsamenFahrt nach Wandsbek ständig taten, ganz gleich, woran die junge Frau gerade dachte. Und kaum hatte sich Wrangel wieder in ihren Kopf hineingeschlichen, da erfasste sie jedes Mal ein wohlig-schauriges Kribbbeln, das sich, zwang sie ihre Gedanken nicht schnell genug fort, in eine berauschende Unruhe ausbreitete. Schloss sie die Augen, sah sie sein Gesicht. Berührte sie unvermittelt einen weichen Gegenstand, so glaubte sie, seine Hand zu spüren. Die Gedanken an seine Verletzungen hatten ihr schon so manche Stunde Schlaf geraubt, und als sie ihn gestern Abend endlich wieder sah, ergriff ihren ganzen Körper eine Wärme, wie sie sie noch nie zuvor gespürt hatte. Mochte Margarete Claussen noch so viel davon reden, dass die Liebe erst mit der Ehe wuchs, in Ruth Abelson war bereits eine Liebe entbrannt, die sie nur schwer im Zaum halten konnte.
    »Nun, mein Kind«, riss ihre mütterliche Freundin sie aus ihren Gedanken, »wenn es die Liebe ist, die einen treibt, dann kann man nur

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