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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Begräbnis zugeführt. Seht, das Entscheidende ist nicht, warum ein Mensch gewaltsam starb, sondern dass er es überhaupt tat. Denn nur beim gewaltsam herbeigeführten Tod mischt sich mit den letzten Atemzügen des Menschen die Kraft des noch nicht vollendeten Lebens mit der Macht des Todes und reichert das Blut des Sterbenden mit dieser besonderen Mixtur aus Lebenskraft und Tod an, die der daraus gewonnenen Medizin ihre besondere Heilkraft verleiht.«
    »Verstehe ich Euch richtig, so ist nicht der Kopf entscheidend für die Arzneigewinnung, sondern das Blut.«
    »Ja und nein. Ohne den Wandel der Konsistenz des Blutes im Moment des gewaltsamen Todes könnte der Kopf als Arznei nicht reifen. Aber ist er einmal gereift, so soll er in seiner Wirkung noch die des reinen Blutes übertreffen. Unumstritten ist aber die Heilkraft von alten getrockneten Köpfen oder von Mumien. Überzeugt Euch selbst.«
    Kirchhoff holte einen tönernen Topf herbei. »Hier, riecht! Gemächte von Türken, welche die Kaiserlichen bei Pest erbeuteten. Vierzig Jahre sind sie alt.«
    Wrangel spürte wieder einen stechenden Schmerz in den Schläfen, und ein leichter Schüttelfrost packte ihn.
    Kirchhoff sah ihn mit besorgtem Blick an. »Ihr solltet Euch setzen, Prokurator. Eure Verwundung scheint Euch doch übler mitzuspielen, als Euch lieb sein mag. Wenn ich Euch bitten darf, so folgt mir einfach nach hinten in mein Laboratorium. Dort ist es angenehm warm, weil die Öfen zur Gänze befeuert werden, um verschiedene Kräuter zu trocknen. Ihr könnt dort eine Weile ausruhen, derweil ich Eure Arzneien anrühre und Eure Fragen versuche zu beantworten.«
    Damit öffnete er eine vorher kaum sichtbare Klappe in der Theke und ließ Wrangel in den hinteren Teil der Apotheke ein. Hier standen drei große Tische, auf denen Arzneien angerührt wurden. Wie Wrangel bereits vermutet hatte, lag das Laboratorium hinter der geschlossenen Tür an der Rückwand der Offizin. Eine Woge warmer, nach Kräutern duftender Luft schlug ihm entgegen, als der Apotheker die Tür öffnete. Sie betraten einen kleinen, erstaunlich hellen Raum, in dessen hinteren Ecken jeweils ein großer Ofen stand. Die Wand zwischen ihnen war von zwei großen Fenstern durchbrochen, zu deren Füßen noch drei kleinere, tragbare Öfen standen. An den Seitenwänden befanden sich Schränke mit Glastüren, gefüllt mit verschiedensten Gerätschaften: Kesseln aus Zinn und Kupfer, auch welchen aus Eisen, Pfannen, Tenakeln und Agitakeln sowie Sieben in allerlei Größen, auch Zangen und Pressen waren da. In einem anderen Schrank standen Reagenzgläser, Kolben, Flaschen, Stein- und Eisenmörser sowie Stoßeisen, Raspeln, Wiegemesser, Wurzelmesser und Weidengestelle in allen Größen. Der Fußboden war aus Stein, leicht abschüssig, und wies im hinteren Drittel einen Abfluss imBoden auf. Die niedrige Decke wölbte sich leicht. Vorn, gleich neben der Tür, durch die sie hineingekommen waren, befand sich ein kleiner Pumpbrunnen, der das Wasser in ein tiefes Steinbecken leitete. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner schwerer Tisch mit einer Platte aus Marmor. Unter ihm zog Kirchhoff einen Schemel hervor und bat Wrangel, Platz zu nehmen.
    »Ihr seht schon, für mehr Gemütlichkeit ist hier kein Platz. Auch hat möglichst alles feuerfest zu sein, sodass jeder Stuhl zu viel ein Risiko wäre. Aber schließlich ist dieser Raum auch nicht für Besucher gedacht, sondern zur konzentrierten Arbeit. Da Ihr aber leicht zu fiebern scheint, wird Euch die Wärme hier guttun. Ihr habt heute früh wohl nicht bedacht, dass es draußen schon sehr frisch ist«, merkte er mit einem Blick auf Wrangels Kleidung an.
    »Das wohl schon, Apotheker Kirchhoff. Aber wie ich schon andeutete, bin ich überfallen worden, und neben meiner Gesundheit wurden mir auch die Stiefel und mein Umhang geraubt. So müssen mir vorübergehend die leichteren Sommerkleider dienen, bis Schneider und Schuhmacher ihre Arbeit getan haben. Habt Dank für Eure Freundlichkeit, mich hier ins Warme zu setzen. Ich fühle mich schon gleich viel wohler. Darf ich Euch noch weiter wegen des Menschenkopfes befragen?«
    »Nur zu. Ihr scheint ja ein sehr konkretes Anliegen zu haben.«
    »So ist es auch. Im Januar dieses Jahres fand man auf dem Schweinemarkt eine Frauenleiche, deren Kopf fehlte. Nun scheint es so, als ob jene aufgespürt wurden, die den Kopf dieser Frau haben wollten, um ihn für Arzneien zu verwenden.«
    »Ich erinnere mich gut an den Fall. Auch in

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