Schandweib
unweit seines Quartiers in der Rosenstraße kannte er über seine Wirtin, nur anständigen Stoff würde er selbst kaufen müssen. In der Caffamacherreihe gab es mehrere niederländische Weber, dieihr Handwerk bestens verstanden und ihn würden bedienen können.
Bloß mit einem, wenn auch wärmer gearbeiteten Rock bekleidet, machte sich Wrangel zielstrebig auf den Weg, als ihn ein stechender Schmerz in seiner Brust daran erinnerte, dass nicht nur sein Kopf, sondern auch sein Leib noch schwer unter den Verletzungen zu leiden hatte und ein Fußmarsch von einer guten Stunde ihm bestimmt nicht dienlich wäre. Seufzend blieb er stehen und überlegte, wo er in der Nähe einkehren könnte, um sich zunächst ein wenig zu stärken. Da fiel sein Blick auf die Ratsapotheke. Hatte Wilken nicht gesagt, der Kopf sei dem Arzneienkrämer medizinisch dienlich gewesen? Was stellte man aus so etwas her? Der Ratsapotheker sollte es wissen.
Als Wrangel die schwere Tür der Apotheke öffnete, schellte ein Spiel aus fünf Glöckchen über seinem Kopf, und er betrat den ganz in dunklem Holz gehaltenen Raum der ersten Apotheke der Stadt. Hinter der mächtigen Theke standen drei halbhohe Schränke mit quadratischen Schubladen, jede mit einem Namensschild versehen. Soweit Wrangel es aus der Entfernung erkennen konnte, waren sie mit lateinischen Kräuternamen beschriftet. An den Seitenwänden und der Rückwand des eher kleinen Raumes drängten sich bis unter die Decke Regale, die wiederum in sorgfältigster Ordnung mit Glasflaschen und Keramiktiegeln bestückt waren und im unteren Bereich größere Schubladen hatten. An den hinteren Ecken des Raumes waren jeweils zwei Türen. Die eine führte in das Laboratorium, die zweite, die offen stand, musste ins Magazin führen, wo für gewöhnlich die Arzneivorräte vorbereitet, getrocknet und aufbewahrt wurden.
Es dauerte nicht lange und ein Mann mit einer gewaltigen silberfarbenen Perücke und einem strengen dunklen Rock aus festem Tuch schritt geschäftig durch die Magazintür zur Theke auf Wrangel zu. Er musterte den für die Jahreszeit unpassend gekleideten Mann samt seinem Verband um den Kopf ein wenig abschätzig, bevor er sich in üblicher Manier nach seinem Begehr erkundigte.
Kaum hatte sich Wrangel als Prokurator des Niedergerichtes vorgestellt, hellte sich die Miene des Apothekers sichtlich auf. »Prokurator Wrangel, es ist mir eine Ehre, Euch in meiner Apotheke, die so wohlwollend vom Rat der Stadt gefördert wird, zu begrüßen. Ich bin Christian Kirchhoff, Erster Apotheker der Stadt. Wie ich sehe, führen Euch keine freudigen Umstände zu mir. Hattet Ihr einen Unfall?«
»Nein, Apotheker Kirchhoff, keinen Unfall, es war ein Überfall. Aber gefallen bin ich auf jeden Fall.«
»Wie ich sehe, seid Ihr bereits gut verarztet worden. Bedarf es Euch an weiterer Medizin, mit der ich Euch weiterhelfen könnte?«
»Ja, eine Mischung für einen frischen Kräuterbrei könnte ich gut gebrauchen. Auch etwas gegen Kopfschmerzen wäre mir recht hilfreich. Aber vor allem, verehrter Apotheker Kirchhoff, habe ich Euch aufgesucht, um Eure weithin gerühmten Kenntnisse über Arzneizubereitungen aus tierischen und vor allem menschlichen Produkten befragen zu dürfen.«
Der Apotheker zog die linke Augenbraue in die Höhe, drückte die Schultern nach hinten und legte die Hände nebeneinander auf die dunkle Theke. »Nun, ich werde sehen, wie ich Euch da zu Hilfe sein kann. Um welche Art Arznei geht es Euch denn konkret?«
»Ich möchte wissen, zu welchen medizinischen Mitteln man einen menschlichen Kopf verwenden kann.«
»Einen Kopf? Da gibt es einige Rezepturen, die mir dazu einfallen. Ein sehr wirksames Öl und auch ein flüchtiges Salz, das nur recht aufwendig durch lange Destillation zu gewinnen ist, fallen mir auf Anhieb ein. Sie kurieren Fieber und Pestilenz, wirken Faulungen entgegen und öffnen alle Arten von Verstopfungen. Doch so hochwirksam diese Mittel sind, so schwierig ist es auch, sie herzustellen. Sie werden aus der Hirnschale eines Menschen gekocht, der eines gewaltsamen Todes gestorben ist.«
»Eines Verbrechers also.«
»Nicht zwangsläufig, Prokurator. Natürlich gelangen hauptsächlich Köpfe Enthaupteter in die Laboratorien der Apotheker. Das hängt aber eher mit dem Angebot zusammen. Ansonsten sind Köpfe von Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, nur schwer zu bekommen. Werden sie doch normalerweise zusammen mit dem Körper des Verblichenen einem christlichen
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