Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
Vom Netzwerk:
besser nennen wir sie Monsieur Hinrich.«
    Der Meisterknecht war beeindruckt und zeigte mit einem breiten Grinsen und tumben Nicken seine Zustimmung. »Die Röper des Brookvogtes führen sie jetzt gerade vom Gericht hierher, ich werde Anweisung geben, dass sie in Eisen gelegt wird, und mich dann sofort um alles kümmern.«
    »So wird es allerhöchste Zeit für mich, dass ich zum Gericht zurückkehre, Meister Ismael«, mischte sich Wrangel in die aufgeregten Vorbereitungen der beiden Männer ein, erhob sich vom Tisch und folgte dem Meisterknecht zur Tür. »Habt Dank für das Bier! Wir hören bald wieder voneinander.«
    »Habt Dank für Euren Besuch, Prokurator Wrangel! Lasst mich bitte wissen, was Ihr über das Mannweib erfahrt«, erwiderte Asthusen aufgeregt.
    »Keine ganz große Hinrichtung, aber das verspricht ein schönes Geschäft zu werden«, hörte Wrangel ihn noch leise vor sich hin murmeln, als er die Schankstube verließ.
7
    W enig später traf der Prokurator mit leicht geröteten Wangen vom schnellen Marsch am Niedergericht ein. Der Gerichtssaal war leer. Nur der Aktuar Dr. Meyer stand noch an seinem Pult und stapelte geflissentlich seine Papiere.
    »Prokurator Wrangel, gut, dass Ihr endlich kommt«, wandte er sich mit seiner wie von Staub belegten Stimme an den Advokaten. »Prätor Wilken wies mich an, Euch zu suchen und dann zu ihm zu bringen. Es gibt einen neuen Fall zu besprechen.«
    »Darum bin ich hier, Dr. Meyer. Mir kam von einem Mannweib zu Ohren, das eine Frau niedergestochen haben soll.«
    »Immer mit der Ruhe, Prokurator. Was wie und wo passiert sein soll, beschreit zurzeit nur das Volk auf der Straße. Wie es sich allerdings in den Akten darstellen wird, gilt es noch zu untersuchen.« Mit knapper Geste griff der Aktuar seinen Papierstapel und wandte sich der Tür zu. »Nun kommt, ich bringe Euch zu Prätor Wilken nach Haus.«
    »Zu ihm nach Haus?«, entfuhr es Wrangel. »Seit wann bespricht der Prätor Gerichtliches privat?«
    »Wrangel, Ihr seid nun schon an die neun Monate bei uns in Hamburg und habt doch kaum etwas gelernt«, seufzte Dr. Meyer und schaute Wrangel mitleidig an. »Mir deucht manchmal, als wolltet Ihr nicht wissen, wie hier die Dinge laufen. Heute ist Dienstag, da speist der Prätor für gewöhnlich mit dem Brookvogt, wie es vom Rat schon vor langer Zeit vorgeschrieben wurde, um dem Amt des Brookvogtes mehr Ansehen zu verleihen. Ich erklärte Euch das bereits während meiner Ausführungen zu den Sitten und Gebräuchen am hiesigen Gericht.«
    Wrangel nickte ergeben. Dr. Meyer war zwar ein staubtrockener und spröder Mann, aber darunter verbarg sich ein gutes Herz. Gelang es einem, dieses für sich zu gewinnen, hatte man in dem alten Mann einen erfahrenen und detailgenauen Informanten über die verworrenen Ränke, die sich um die Mitglieder des Gerichtes, des Rates und der wichtigsten Bürger der Stadt wanden.
    »Ach, Dr. Meyer, Ihr habt recht, ich bin zu nachlässig mit diesen Dingen«, erwiderte Wrangel mit treuherzigem Blick und schalkhaftem Ton. »Verzeiht mir und lasst mich nicht allein in diesem Wirrwarr von Gebräuchen und Traditionen, die sich nur durch Erfahrung wie die Eure lernen lassen.«
    »Schmeichler«, entgegnete der alte Aktuar, sichtlich erfreut, sein Wissen gewürdigt zu sehen. »Nun, der Prätor speist mit dem Brookvogt bei sich zu Hause. Ich führe Euch jetzt zum Prätor. Das Haus der Familie Wilken liegt nicht weit von hier am Nikolaifleet . Es ist ein altes Kontorhaus, seit Generationen bereits im Besitz der Familie.«
    Wrangel spürte, dass dies ein günstiger Moment war, um Dr. Meyer zum Plaudern zu bringen. Er wollte schon seit längerem mehr über Wilken erfahren, da es ihm schwerfiel, diesen zweifelsfrei mächtigen Mann in seinen Handlungen und Reaktionen einzuschätzen.
    »Die Familie Wilken ist eine sehr alte Hamburger Familie, nicht wahr, Dr. Meyer?«
    »Ganz wie man es sehen will, junger Mann. Beinahe die achte Generation sitzt nun schon im Rat der Stadt. Aber das ist noch nicht lange genug, um jene Fälschung vergessen zu machen, mit welcher sich der Erste aus dem Geschlecht der Wilken den Zutritt in diesen Kreis erwarb«, lächelte Dr. Meyer hüstelnd und strich mit seinen dünnen Fingern über seinen Rock. Es bereitete ihm sichtlich Freude, Wrangels Augen neugierig blitzen zu sehen. »Aber lasst uns nun gehen. Ich werde Euch unterwegs die Geschichte erzählen.«
    Die beiden Männer verließen das Gericht und überquerten den

Weitere Kostenlose Bücher