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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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gegen dessen ausdrückliche Aussagen zur Unschuld bekehren wollte, wo doch bei so einem verkommenen Wesen die Schuld aus jeder Pore kröche. Wrangel hatte sich auf die Zunge gebissen und geschwiegen.
    Nun hatte er endlich den mit Bratendunst geschwängerten Raum verlassen können und sog tief die frostige Nachmittagsluft ein. Es gab nichts zu beschönigen. Er hatte wider besseres Wissen um ihre Unschuld zugelassen, dass seine Mandantin zum Tode verurteilt worden war. Zwar hatte sie es so gewollt, aber mit seiner Auffassung von Recht hatte das nichts zu tun. Er fühlte sich benutzt, ja sogar missbraucht von Bunk wie auch von Wilken, die in diesem Prozess beide nur an ihre eigenen Interessen dachten. Genauso auch von seinem Bruder, der irgendwelche geheimen Geschäfte machte und von ihm erwartete, dass er über die Patenschaft in den Schoß der Familie, die ihm so zuwider geworden war, zurückkehrte. Wenn er schon nicht vor Gericht seinen Überzeugungen Gehör verschaffen konnte, so wenigstens vor seiner Familie. Entschlossen bog er in die Große Reichenstraße ein, in der sein Bruder in Michel Wilkens Haus zu Gast war.
    Kaum hatte Wrangel an die schwere Eichenholztür geklopft, öffnete auch schon ein Diener in weinroter Samtjacke. Augenblicklich fielen ihm die beiden jungen Kerle wieder ein, die er zuerst beim Brand der Vincent-Bastion und einige Zeit später im Ratskeller gesehen hatte. Wilkens Kontorburschen. Wrangel stellte sich mit knappen Worten vor und fragte nach seinem Bruder.
    Der Diener führte ihn in eine mit dunklem Holz getäfelte Diele und bat ihn, einen Augenblick zu warten. Aus einer hinteren Tür trat Elisabeth auf ihn zu.
    »Hinrich, wie schön, dich zu sehen! Alfred ist leider noch geschäftlich unterwegs, aber er kommt bestimmt bald zurück.«
    Wrangel schluckte und musterte Elisabeth mit flüchtigem Blick. Er hatte vor lauter Wut auf seinen Bruder gar nicht damit gerechnet, auch sie hier treffen zu können. Welch eine Dummheit von ihm. Elisabeths Bauch war noch runder geworden. DieGeburt würde sicherlich nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Ihre Wangen waren rosig, und das füllige blonde Haar drängte unter der Haube hervor.
    »Mein Anliegen kann ich sicherlich auch dir mitteilen, Elisabeth. Ich möchte …« Wrangel hielt einen Moment inne. »Ich möchte dir mitteilen, dass ich nicht mit euch zusammen das Weihnachtsfest feiern werde. Genauso wenig möchte ich die Patenschaft für euer Kind übernehmen.«
    Elisabeth wich einen Schritt zurück. »Warum nicht? Ich dachte, es wäre dir eine Ehre.«
    Wrangel zögerte erneut. Wie weit konnte er gehen, um sein Handeln zu erklären? Wie viel konnte er einer schwangeren Frau zumuten?
    »Ich hatte gute Gründe, mich aus dem Leben meiner Familie zurückzuziehen. Das Handeln meines Bruders gereicht mir nicht zur Ehre. Ich wünsche keine Verbindung zu ihm. Seine geschäftlichen Praktiken sind fragwürdig und könnten schon bald große Probleme hervorbringen.«
    Das Blut wich aus Elisabeths Wangen, sie legte schützend ihre Hände über ihren Bauch. »Was ist passiert, Hinrich, dass du solche harten Worte wählst?«
    »Nichts ist passiert. Aber ich habe meine Gründe.«
    »Sag mir die Wahrheit. Ich bitte dich!«
    Wrangel schaute Elisabeth in die Augen. Sie spiegelten ihre Unsicherheit und auch Angst. Er durfte sie nicht zu sehr verschrecken. Andererseits wollte er sie nicht in Hamburg, nicht in seiner Nähe wissen. Sollte sie doch einfach schnell nach Lübeck zurückkehren.
    »Ich darf dir nichts sagen, Elisabeth, das wäre zu gefährlich. Auch für dich. Aber aufgrund dessen, was uns beide einst verband, gebe ich dir den Rat, für dein eigenes Wohlergehen soschnell wie möglich zusammen mit deinem Mann nach Lübeck zurückzukehren.« Er hielt einen Augenblick inne und schaute Elisabeth fest in die Augen.
    Sie zitterte. »Ich hätte nicht gedacht, dass du es so schwer nehmen würdest, Hinrich. Du hast mich allein in Lübeck gelassen und all deine Zeit und Liebe deinem Studium gewidmet. Alfred kümmerte sich um mich, als meine Mutter erkrankte und wir Hilfe brauchten. Du warst nicht da, Hinrich. Ich glaubte, ich bedeutete dir einfach nicht genug. Alfred ist ein guter Mann, Hinrich. Er sorgt für mich. Als er um meine Hand anhielt, hatte ich bereits wochenlang nichts von dir gehört. Meine Mutter schalt mich töricht, als ich zögerte. Auch auf unsere Verlobung hast du nicht reagiert. Wie sollte ich da noch an deine Liebe glauben?«
    Wrangel

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