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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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erneut zu einem Widerruf treiben, oder, Prokurator?«
    Wrangel konnte ein spöttisches Grinsen kaum unterdrücken. Schließlich war für Asthusen der Fall bisher glänzend gelaufen. Die Gefangene hatte seine Einnahmen so erfreulich aufgestockt, dass er keine Not für den Winter zu befürchten hatte. Die Hinrichtung würde ein Übriges tun, um dem Henker auch für das nächste Jahr einen üppigen Vorrat zu sichern.
    »Gern hätte ich nämlich diesen Fall hinter mich gebracht. Denn im Oldenburgischen ist kürzlich eine junge Henkersfrau verwitwet. Vielleicht sagt sie nicht nein zu einer erneuten Ehe, auch wenn ich nicht mehr der Jüngste bin.« Asthusen grinste verschämt. »Für unsereins ist es schließlich nicht leicht, ein Weib zu finden. Und auch das Leben einer Henkerswitwe ist einsam und öd.«
    Wrangel schaute ihn ungläubig an. Wollte Asthusen ihn beschwatzen?
    Doch der Henker legte nach. »Außerdem wisst Ihr doch, Prokurator: Nichts ist für einen Scharfrichter schlimmer als ein armer Sünder auf dem Richtplatz, der kein Einsehen in die gerechte Strafe hat. Denn misslingt eine Hinrichtung, kann das schnell den Tod des Henkers bedeuten.«
    »Was meint Ihr damit, Meister Ismael?«
    Asthusen schüttelte unwirsch den Kopf. »Ich werde Euch von meinem Jugendfreund Boy Boysen aus Husum erzählen, dann wisst Ihr, was ich meine. Boysen und ich verbrachten ein Lehrjahr zusammen. Später wurde er Scharfrichter in Lüneburg. Aber das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Eines Tages sollte er ein junges Mädchen mit dem Schwert richten. Das Mädchen war wunderschön und weinte bitterlich. Noch als er das Schwert hob, beteuerte es seine Unschuld. Zweimal rutschte Boysen das Richtschwert ab, sodass er das Mädchen regelrecht zerhackte. Die Menschen nahmen ihm das so übel – zumal auch sie die Verurteilte nicht wirklich für schuldig hielten, sondern glaubten, dass sich ein reicher Adliger nur seiner unliebsamen Gespielin entledigen wollte –, dass sie Boysen hinterher des Nachts in einer dunklen Gasse mit Knüppeln wie einen Hund erschlugen.«
    »Das ist eine grausige Geschichte. Aber Ihr, Meister Ismael, habt noch nie einen armen Sünder verfehlt, nicht wahr?«
    Asthusen brummte nur.
    »Bunk hat mich rufen lassen, Meister Ismael. Ich bin hier, weil sie mich sprechen will.«
    »Sie hat Euch rufen lassen? Davon weiß ich nichts. Aber eine Hexe wie die hat da sicherlich ihre eigenen Mittel.« Missmutig stapfte er auf den Flur hinaus, um einen Knecht zu rufen, damit er die Gefangene holte. »Geduldet Euch eine Weile. Man wird sie Euch herbringen.« Damit wandte er sich ab und ging hinauf in sein Arbeitszimmer.
    Fünf Minuten später führte einer von Asthusens Knechten Bunk in die Herrenstube.
    »Ihr habt aber auf Euch warten lassen, Herr«, begrüßte Bunk ihren Anwalt. Jetzt trug sie nicht das helle Hanfhemd, sondern ihre zerschlissene Kleidung, hatte sich allerdings in eine alte Decke gehüllt. Sie war blass, schien jedoch insgesamt bei Kräften zu sein. Asthusen versorgte sie wohl deutlich besser, als zu erwarten gewesen wäre.
    »Wie kommst du darauf? Vor einer halben Stunde erst fand mich der Gerichtsdiener.«
    »Nun, ich hatte ihm schon im Rathaussaal gesagt, dass ich Euch sprechen wolle. Aber vielleicht hat der Kerl noch etwas mit sich und seiner Manneskraft gerungen, bevor er Euch aufsuchte.«
    Wrangel verstand nicht, was sie meinte, ließ es aber darauf beruhen. »Jetzt bin ich ja hier. Worum geht es? Willst du nach diesem Urteil doch noch widerrufen?«
    Bunk spuckte aus. »Es gibt nichts zu widerrufen, das sagte ich Euch doch bereits.«
    »Worum geht es dann?«
    »Es geht um die Briefe.«
    Wrangel horchte auf und blickte Bunk fest in die Augen. »Was ist mit ihnen?«
    »Mit den Briefen? Das weiß ich nicht. Aber ich weiß jetzt, wer sie geschickt hat.«
    »Wer?«
    Bunk schaute Wrangel eine Weile schweigend an. »Der Prätor.«
    Wrangel atmete heftig aus. Nicht Michel, sondern Hieronymus also! Das war wirklich eine Neuigkeit. »Bist du dir sicher?«
    »Ich habe ihn im Rathaus wiedererkannt. Die ganze Zeit schon hatte ich so ein eigenartiges Gefühl, den Mann irgendwoher zu kennen. Aber wer wie ich lange Zeit Freier zu den Dirnen geführt hat, hat schon viele Männer gesehen. Wer weiß, ob er nicht einer von denen war? Am Montag jedoch fiel es mir wieder ein. Es war das Zischen in seiner Stimme, das ich erkannte. Er hat in der Kutsche gesessen und dem Mann, der mir den Brief gab, Anweisungen

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