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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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selbstgefällig auf einen jüngeren Senator ein, der etwas unbeholfen wirkte. Auch Syndikus Lorenz war unter den Anwesenden.
    Er ging auf Wrangel zu und begrüßte ihn freundlich. »Ich wünsche Euch einen reibungslosen Verlauf, Prokurator.« Kräftige Hammerschläge unterbrachen die Gespräche. Die beiden Bürgermeister, Hieronymus Hartwig Moller und Peter von Lengerke, traten vor die übrigen Senatoren und eröffneten die Versammlung. Kurz erläuterten sie noch einmal den geplanten Ablauf der Hinrichtung, an der sie als Richter des Obergerichtes zusammen mit den Schöffen, den Prätoren und den Prokuratoren bis zum Ende teilhaben würden. Den übrigen Ratsmitgliedern wurde die Teilnahme freigestellt, denn das blutrünstige Spektakel war nicht für jedermanns Nerven geeignet. Auf alle Fälle träfe man sich hinterher wieder im Rathaus,um gemeinsam das die Strafprozedur abschließende Mahl einzunehmen.
    Lärm und Unruhe vor der Tür kündigten die Ankunft des Scharfrichters mit den armen Sündern an. Gemeinsam mit den anderen Prokuratoren und den zwei Prätoren schritt Wrangel hinter den beiden Bürgermeistern und den Schöffen durch die Halle nach draußen. Auf dem von den Röpern freigehaltenen Platz vor dem Rathaus stellten sie sich ihrem Rang nach auf, während die Henkersknechte mit Unterstützung der Röper die Verurteilten neben den Scharfrichter führten, der sich in seinem leuchtend roten Umhang rechts neben den Richtern postiert hatte. Links von ihnen standen Pastor Krüger und Vikar Claussen.
    Langsam kam die Menge zur Ruhe und wartete auf die erneute Verkündung des Todesurteils. Weit vorn unter den Wartenden machte Wrangel Johann Schultze, den Direktor des Johanneums, zusammen mit einem guten Dutzend Schülern aus. Mit unverhohlener Neugierde musterten die Jungen die drei Verurteilten und tuschelten miteinander. Einige von ihnen hielten Flugblätter in den Händen.
    Die Menschen drängelten sich immer dichter an die Absperrung heran. Viele Frauen und auch Kinder waren unter ihnen. Ein kleiner Junge saß auf den Schultern seines Vaters und starrte gebannt auf den Henker. Weiter hinten erspähte Wrangel Maria Riekens Familie. Elisabeth Pausten konnte er jedoch nicht entdecken.
    Der Erste Bürgermeister Moller entrollte eine lange Schriftrolle, auf der die drei Todesurteile abgefasst waren. Mit lauter, erhabener Stimme verlas er den Text. Wrangel hörte nicht zu. Er kannte den Inhalt zur Genüge. Stattdessen musterte er Wilken, der schräg vor ihm stand. Er hatte eine feierliche Miene aufgesetzt und hielt sich sehr aufrecht. Seine Allongeperücke war frisch gepudert und hatte einige kleine Talgpartikel auf dem spanischen Hut hinterlassen. Es war nicht zu verkennen: Diese Stunde war auch seine. Unter seiner Prätur wurden drei Menschen für einen grausamen Mord gerichtet. Dies war die Krönung seines Amtes. Damit hatte er sich für eine Kandidatur zum Bürgermeister empfohlen. In einem halben Jahr lief die Amtszeit von Moller ab. Wrangel spürte einen Zorn aufkommen bei der Vorstellung, dass Wilken mit seinen miesen Geschäften durchkommen sollte und vielleicht sogar noch neuer Bürgermeister wurde.
    Was hatte Abelson bloß vor? Und was hatte er schon erreicht?
    Kaum war Moller mit dem Verlesen der Urteile fertig, als sich der Hinrichtungszug formierte. Voran schritt der Brookvogt, von jeweils drei Röpern flankiert, dahinter kamen die beiden Bürgermeister, gefolgt von den Schöffen. Ihnen folgten die beiden Prätoren und die Prokuratoren. Dann kam mit gebührendem Abstand der Scharfrichter. Sein roter Umhang flatterte um seine Schultern, und sein Haupt war bereits unter einer Ledermaske verborgen. Die drei Verurteilten standen, mit ihren hellen Hanfhemden in der Januarkälte nur dürftig bekleidet und in schwere Ketten gelegt, auf dem Schinderkarren, der links und rechts von den Henkersknechten flankiert wurde. Dahinter gingen die beiden Geistlichen. Ihnen folgten nochmals acht Röper, die mit ihren langen Stangen die Menge zurückhalten sollten.
    Der Zug setzte sich in Richtung Neuer Zeughausplatz in Bewegung. Die Menschen gafften und schrien Spottsprüche hinter den armen Sündern her, Gaukler machten ihre dreckigen Späße und fliegende Händler priesen lauthals ihre Flugblätter an, auf denen nach der Melodie von »Herr Jesu ist Mensch und Gott« ein für den Anlass gedichtetes Schandlied mit dem Titel »Derbestrafte Mord« abgedruckt war. Schon bald stimmten die ersten Leute in die Melodie ein, die

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