Schandweib
Arbeitsmarkt. Als Männer gekleidete Frauen waren häufig als Handwerker tätig, aber auch bei den Soldaten oder Seeleuten zu finden. Manchmal wurde erst nach ihrem Tod festgestellt, dass sie eigentlich Frauen waren. Je enger solche sich als Männer gebenden Frauen mit anderen Männern zusammenlebten, desto größer war natürlich die Gefahr, entdeckt zu werden. Da in der frühen Neuzeit die Kleidung der Menschen meistens strengen Kleiderordnungen unterworfen war und als Zugehörigkeitsmerkmal zu Ständen und Zünften diente, eignete sich der Kleidertausch gut, um heimlich die geschlechtliche Rolle zu tauschen. Denn niemand trug damals einfach das, was er wollte, sondern das, was ihm zustand und damit zugleich seinen Platz in der Gesellschaft auswies. Kleider machten Leute. Sich darüber hinwegzusetzen galt als schändlicher Betrug und wurde geahndet. Auch führte es zum Verlust der Ehre. Und der Ehre kam in der frühneuzeitlichen Gesellschaft eine ganz besondere Bedeutung zu.
Nichts war Männern und Frauen damals wichtiger als die Unbescholtenheit ihres Rufs, ihrer persönlichen Ehre. Sie war die Voraussetzung für das Auskommen mit den Nachbarn, für den materiellen Erfolg ihrer Arbeit, für eine gute Heirat sowie für den Erwerb jeglichen Amtes. Die Ehre begründete den sozialen Status jedes Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft.
Die Ehre diente auch als symbolisches Kapital der sozialen Differenzierung in der Ständegesellschaft – so gab es ehrliche und unehrliche Berufe. Zu Letzteren zählte nicht nur der Scharfrichter, sondern auch der Gerber, Schäfer, Abdecker, Barbier und ebenso der Müller. Diese Berufe trugen den Makel der gesellschaftlichen Verachtung, gleichwohl einige, insbesondere Scharfrichter und Müller, oft ein beachtliches Vermögen anhäufen konnten. Damit ließ sich allerdings nicht der Makel der Unehrenhaftigkeit ausgleichen. So war die Ehre wichtiger als das Vermögen. Niemals konnte ein noch so reicher Kaufmann ehrbarer sein als ein noch so armer Adliger. Die persönliche Ehre war ein wesentliches soziales Kapital innerhalb der eigenen sozialen Gruppe, und es galt, sie zu schützen. Denn verlor man sie, verlor man seine Zugehörigkeit zu seinesgleichen und damit oft auch den Halt in der Gesellschaft. Da es damals keine sozialen Sicherungssysteme gab außer der nachbarschaftlichen, familiären und zünftischen Hilfe, hatte eine Ausgrenzung verheerende Folgen.
Allerkostbarste Mumie – Heilkunst der frühen Neuzeit
Die Nutzung menschlicher Körperteile war über Jahrhunderte ein fester Bestandteil der üblichen Heilungsmethoden. Im ausgehenden 17. Jahrhundert entsprachen aus ihnen hergestellte Salben und Tinkturen dem damaligen Stand der Medizin. So wusste beispielsweise ein Johann Dietz (1665–1738) aus den Türkenkriegen des Habsburger Reiches über die Gegner Folgendes zu berichten:
»Sie waren so verbaset und irre, daß ich selbest gesehen, daß sie dasaßen aufm Pferd, hatten zwar den Säbel in der Hand, doch die Hände übereinander geschlagen, ihre Augen gen Himmel gerichtet und ließen sich so totschießen, wurde auch keiner bei dem Leben gelassen, sondern alle massakrieret und meist die Haut abgezogen, das Fett ausgebraten und die membra virilia abgeschnitten und große Säcke voll gedörret und aufbehalten. Als woraus die allerkostbareste mumia gemacht wird. Sie wurden auch meistens aufgeschnitten und die Eingeweide durchsuchet, ob etwa, wie ehemals, Dukaten verschlucket gefunden würden.«
Damals verwandten Ärzte und Apotheker in zahlreichen Krankheitsfällen, sowohl innerlich als auch äußerlich, Mumie, eine Substanz, die aus mumifizierten Leichenteilen gewonnen wurde. Besonders geschätzt war jene Mumie, die aus Missetätern zubereitet wurde, die frisch vom Galgen kamen. So waren auch die Henker meist in Geschäfte um die Leichen involviert.
Vom Scharfrichter bis zum Prätor – das Hamburger Rechtswesen
Als der Fall Ilsabe Bunk 1701 in Hamburg verhandelt wurde, war tatsächlich der Scharfrichter Ismael Asthusen im Amt. Seine Familie hielt bereits in der dritten Generation das Scharfrichteramt in Hamburg, und Asthusen selbst hatte sein Amt am 1. Januar 1687 mit finanzieller Unterstützung der Hamburger Brauer und Riemer für die stattliche Summe von 6
000 Mark von der Stadt gekauft. Er galt als großer Heilkünstler, genoss dafür besonderes Ansehen und wurde gern als Arzt in Anspruch genommen. Auch verkehrte er in den unteren Bürgerschichten und hatte als besondere
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