Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
Vom Netzwerk:
Mannweib bestaunen. Und was führt Euch her?«
    »Ebenfalls Eure gefragte Gefangene. Ich wurde zu ihrem Pflichtverteidiger bestimmt. Darum muss ich sie wohl oder übel kennenlernen. Wann könnt Ihr mir das in Ruhe ermöglichen?«
    »Der Andrang ist so groß, dass ich die Besichtigungszeit ein wenig verlängert habe. Jetzt am Markttag kommen die Menschen in Scharen, aber wie lange werden sie noch so zahlreich sein? Darum freuen wir uns doch heute über das gute Geschäft. Nach der Mittagssuppe könnt Ihr das Weib für Euch allein haben.«
    Plötzlich drang Geschrei zu ihnen nach oben. Asthusen und Wrangel konnten die Worte nicht verstehen, doch ein wüstes Poltern brachte das Haus zum Zittern. Der Scharfrichter sprang behände die Treppe hinunter und stürzte in die Herrenstube, in der normalerweise die Vernehmungen vorgenommen, zu bestimmten Zeiten aber auch die Gefangenen ausgestellt wurden.Wrangel folgte ihm. Sein Blick fiel zuerst auf einige Bauern, darunter zwei Frauen und zwei Kinder, die sich ängstlich an die Wand drückten. Eine der Frauen hielt einem Kind die Hand vor das Gesicht. Ihrer Kleidung nach kamen sie aus den Vierlanden. Asthusens Knechte hielten einen tobenden Mann von ungefähr fünfzig Jahren bei den Armen gepackt und rangen mit ihm. Der Rasende versuchte immer wieder, sich auf die bereits am Boden liegende Gefangene zu stürzen.
    Die muskulösen Arme der Frau steckten in einem kaum abgenutzten dunkelbraunen Rock und schlangen sich eng um Brust und Bauch. Ein weißes, mit frischem Blut besudeltes Männerhemd quoll darunter hervor. Kräftige Beine krümmten sich in einer hellen, aber verschmutzten Kniebundhose zum Schoß hin, die mit Strümpfen überzogenen Waden zuckten heftig und ließen die neubesohlten Schnallenschuhe über den Boden kratzen. Unter besseren Umständen ergäbe das zusammen eine recht stattliche Erscheinung, die jetzt allerdings in einem jämmerlichen Zustand war. Mit einer Hand, zwischen deren Fingern Blut hervorrann, verdeckte die Gefangene ihr Gesicht. Lediglich die kräftigen Augenbrauen konnte Wrangel erkennen. Es verblüffte ihn, wirklich nicht erkennen zu können, ob vor ihm ein Mann oder eine Frau lag. Das schulterlange aschblonde, zu einem zerzausten Zopf gebundene Haar konnte genauso gut einem Kerl gehören.
    Als Asthusen dem über der Gefangenen tobenden Mann beruhigend die Hand auf die Schulter legen wollte, zuckte dieser zurück.
    »Nein, fasst mich nicht an!«, schrie er dem Scharfrichter entgegen. Der Schreck vor der Berührung des Henkers riss ihn aus seiner Raserei. »Was hat sie mit meiner Tochter gemacht?«, fragte er in einem jetzt flehentlichen, weinerlichen Ton.
    »Was hat er? Ist sie seine Tochter?«, wandte sich Asthusen an die Knechte.
    »Nein, seine Tochter ist verschwunden, offenbar glaubt er in dem Mannweib jenen wiederzuerkennen, der seine Tochter aus Neuengamme , woher diese Leute kommen, entführt hat«, klärte Jürgen seinen Meister und den Prokurator auf.
    Wrangel wandte sich an den Bauern. »Ich bin Prokurator am Hamburger Niedergericht. Erzählt uns, was Euch widerfahren ist.«
    Der Bauer musterte Wrangel kurz und hob dann in einem leisen, aber schneidenden Ton an. »Ich weiß es ganz genau, diese Frau war als Mann in unserem Dorfkrug und hat dort mit meiner Tochter gesprochen. Bestimmt hat sie sie dabei verhext. Noch am selben Tag war Maria verschwunden. Die Leute haben gehört, wie sie ihr sagte, sie solle doch mit ihr nach Hamburg kommen, so ein feuchtes und windiges Nest wie Neuengamme sei nichts für ein so schönes Ding wie sie.«
    »Wie heißt Eure Tochter, und wann ist das geschehen?«
    »Ich erinnere mich noch ganz genau«, fuhr der Mann, vor innerer Erregung flüsternd, fort, »so genau, wie ich weiß, dass sie meine Tochter entführt hat. Es geschah an einem Dienstag nach dem Sonntag Septuagesima, am 25.  Januar. Ihr Name ist Maria Rieken.«
    »Was macht Euch glauben, dass diese Frau damit etwas zu tun hat?«, fragte Wrangel weiter.
    »Ich habe die beiden doch zusammen gesehen, und es war genau dieses Weib, doch als Mann gekleidet. Ich habe mir ihr Gesicht eingeprägt und die ganze Zeit an der Straße, die durch das Dorf führt, Ausschau gehalten, ob sie nicht noch einmal vorbeikommen würde. Dabei ist das Gemüse ins Kraut geschossen, aber das kümmerte mich nicht. Ich habe meine Tochter auch mitzwei Nachbarn gesucht und mich erkundigt. An der lüneburgischen Fähre am Zollenspieker sagten sie uns, dass sie dort mit einem Mann

Weitere Kostenlose Bücher