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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Möglichkeit mehr ließ, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse von denen anderer zu trennen. Ja, im Moment wusste er noch nicht einmal, ob er überhaupt noch zwischen richtig und falsch entscheiden konnte. Claussen rührte noch einmal den Rest kalten Kaffees um, bevor er ihn bedächtig austrank. Es war inzwischen dunkel geworden und hatte angefangen zu regnen. Zeit, nach Hause zu gehen. Die beiden Männer traten auf die Straße und verabschiedeten sich.
    Wrangel fühlte sich immer noch in hilfloser Anspannung gefangen, wollte aber seine Wertschätzung für Claussen nach diesem Gespräch deutlich machen. Er klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Nun, Euer Gedanke der Sodomie unter Weibern ist zwar überaus unschicklich und scheint mir an den Haaren herbeigezogen, außerdem auf keinem evidenten Fundament begründet, aber er ist sicher interessant. Ich werde ihn überdenken.«
    Claussen lächelte verbindlich. »Tut das. Mir scheint aber, weit besser täte es Euch, einmal unter andere Menschen als Eure Amtskollegen zu kommen. Begleitet mich doch, wenn Ihr mögt, morgen zu meinem Oheim zum Abendessen. Dort findet sich meist ein illustrer Kreis an Gästen ein, die gern über ihrenTellerrand hinaus die Welt betrachten. Langeweile habe ich dort zumindest in den letzten Jahren nicht erlebt.«
    »Gern, ich danke Euch.«
9
    R uth hatte die schweren Vorhänge vor den Fenstern im Salon des Abelson’schen Hauses in der Kleinen Johannisstraße zugezogen und ging zu dem Spieltisch aus poliertem Nussholz, der unweit des Kamins aufgestellt war. Ein kräftiges Feuer wärmte den Raum und warf sein tanzendes Licht an die Wände. Sie setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Spieltisch, öffnete eine Ebenholzschachtel und baute sorgfältig die filigran geschnitzten Schachfiguren auf dem Spielbrett auf. Ihr Vater saß noch nebenan in seiner Schreibstube. Leicht vornübergebeugt schrieb er an einem Brief, den er noch vor ihrer gemeinsamen Schachpartie fertigstellen wollte.
    Seit zwei Wochen waren sie wieder in Hamburg. Die Rückreise von Amsterdam war ausgesprochen mühsam gewesen. Tatsächlich hatten sie den Landweg nehmen müssen, da die Elbe engmaschig von den Dänen kontrolliert wurde und Moses Abelson sein Gepäck auf keinen Fall von den dänischen Patrouillen durchwühlen lassen wollte. So hatte er ihren Diener Jurek mit der Kutsche aus Hamburg kommen lassen. Die Hinfahrt hatte der treue Mann in neun Tagen bewältigt, die Rückfahrt aber dauerte sechzehn Tage. Die Wege waren teilweise in entsetzlich schlechtem Zustand, dreimal hatte ein Pferd ein Eisen verloren, und sie mussten lange auf die Dienste eines Hufschmieds warten. Auch die Unterkünfte waren häufig schlecht gewesen. Ihr Vater hatte sich einen kräftigen Schnupfen geholt und auch einwenig gefiebert. Ja, der Syndikus Lorenz hatte nicht übertrieben mit seinem Bericht von der kriegerischen Stimmung auf den Straßen. Überall waren Soldaten zu sehen, und den Menschen in den Dörfern konnte man die Angst und Sorge aus den Gesichtern ablesen.
    Trotzdem war Ruth froh gewesen, als sie endlich Amsterdam hinter sich ließen und zurück nach Hamburg aufbrachen. Die letzten Tage vor ihrer Abreise war es immer schwieriger für sie geworden, die Bemühungen Benjamins um ihre Gunst zu übersehen, ohne unfreundlich oder gar abweisend zu wirken. Aber es war ihr schließlich gelungen, Amsterdam ohne ein Eheversprechen zu verlassen.
    »Wie ich sehe, hast du schon alles für unsere kleine Partie vorbereitet.« Moses Abelson trat, auf seinen Stock gestützt, an den Spieltisch heran und nickte wohlwollend, als er die kleine Schale mit Nüssen und die mit Portwein gefüllten Gläser neben dem Spielbrett erblickte.
    Ruth lächelte und half ihrem Vater in den Sessel. Die Kraft seiner Beine hatte im Laufe des Herbstes nachgelassen. In Amsterdam hatten sie noch öfter längere Spaziergänge unternommen, hier aber, im feuchtkalten Oktoberwetter Hamburgs, schien ihren Vater manchmal schon der kurze Weg von ihrem Haus zur Börse zu ermüden. »Und du hast deinen Brief beendet, sodass wir anfangen können?«
    Abelson ergriff das Glas mit Portwein, prostete seiner Tochter zu und trank einen kleinen Schluck. »Nein, ich habe ihn noch nicht beendet. Dazu fehlt mir noch eine entscheidende Information.«
    Ruth schaute ihren Vater fragend an. »Was für eine denn?«
    »Deine Zustimmung.«
    Sie schluckte. »Wozu?«
    »Benjamin Levi hat am Abend vor unserer Abreise bei mir um deine Hand

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