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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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halfen sie dem Wirt hoch, der sich vor lauter Schnaps kaum noch auf den Beinen halten konnte, und brachten ihn in sein Bett. Nach dieser Nacht wusste Bunk, dass es mit dem Tauwetter Zeit würde, die Poststation zu verlassen.
    Bis in den März hinein hatte der Winter das Land fest im Griff. Die Vorräte wurden knapp, die Suppe dünner. Dann kam das Fieber. Den Wirt erwischte es zuerst. Nächtelang hustete er durch, drohte regelrecht zu ersticken. Rosi pflegte ihn mit liebevoller Hingabe. Immer wieder machte sie ihm Wadenwickel und flößte ihm mit Honig gesüßten Tee ein. Zwei Wochen fieberteder Alte. Bunk musste Rosi in der Wirtsstube helfen und sich um die Gäste kümmern. Als der Alte endlich auf dem Weg der Besserung war, wachte Bunk eines Morgens selbst mit Husten, dröhnendem Kopf und Schüttelfrost auf. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn die Tiere versorgen.
    Rosi kam mit einer dicken Decke und den Wadenwickeln in den Stall. Bunk zitterte am ganzen Körper und dämmerte fiebrig vor sich hin. Mit geübten Griffen ging die Magd daran, Bunk zu entkleiden, um die Wadenwickel anzulegen und einen Kräuterwickel um die Brust zu legen. Plötzlich schrie sie auf, presste aber sogleich die Hände auf ihren Mund und starrte mit großen Kuhaugen auf den fiebernden Körper. »Gütiger Gott, das darf doch nicht wahr sein … aber das gibt es doch nicht … Was soll ich denn jetzt nur …?«
    Durch die Fieberschleier hindurch begriff Bunk schlagartig, was passiert war. Mit eisernem Griff packte sie Rosis Arm und zog die dicke Magd zu sich herunter. »Gar nichts sollst du tun. Schweigen sollst du. Kein Wort zu niemandem, oder ich …« Weiter reichten Bunks Kräfte nicht. Ein gewaltiger Hustenkrampf schüttelte sie.
    Rosi riss sich los, rannte zur Stalltür und schlug sie auf. Draußen ging ein eisiger Regen auf den Schneematsch nieder, der den Stall vom Haus trennte. Die Magd hielt inne und schnappte nach Luft. Bunk hustete erneut.
    »Bist ja kein schlechter Mensch. Wirst schon deine Gründe haben, warum du die Welt täuschen musst«, murmelte sie in den Stall hinein und ging langsam zurück an Bunks Lager. »Aber wenn der Herrgott dich vom Fieber befreit, dann gehst du. Versprich mir das!«
    Bunk nickte hustend und versuchte mühsam, sich wieder die Binde um die Brust zu schnüren. Rosi schaute ihr kopfschüttelndzu, dann legte sie beherzt Hand an und band die Brust so flach zurück, dass Bunk der Atem stockte und ihr der Husten im Hals steckenzubleiben drohte.
    Konnte sie der Magd vertrauen? Und wenn sie sie hinterging und dem alten geilen Wirt von ihrer Entdeckung berichtete? Was würde der mit Bunk anstellen? Jetzt zitterte sie nicht nur wegen des Fiebers, sondern auch aus Furcht vor dem Alten. Wie sollte sie sich wehren, wo sie doch kaum die Kraft hatte, sich aufzusetzen?
    Rosi wechselte die Wadenwickel und tupfte Bunk die schweißnasse Stirn ab. Dann hüllte sie die Fiebernde fest in die Decken und verließ kopfschüttelnd den Stall.
    Vor Angst gelähmt und vom Fieber geschüttelt, quälte sich Bunk durch den Tag. Der Stall war zur Hälfte leer. Das unwirtliche Wetter verzögerte die Ankunft der Postkutschen. Als es schon dämmerte, polterte der Wirt herein. Die Kutsche war endlich angekommen, an jeder Hand führte er ein durchnässtes Pferd. Die Tiere dampften und bebten in den Flanken. Fluchend trieb der Alte die Pferde in zwei freie Boxen, warf ihnen Decken über und schüttete etwas Hafer in die Krippen. Dann holte er zwei frische Tiere aus den anliegenden Boxen gleich neben Bunks Lager.
    »Komm du mir mal wieder auf die Beine, dann kannst du aber was erleben«, murmelte er in ihre Richtung.
    Kaum war er mit den Pferden durch die Tür, kam Rosi und brachte eine heiße Suppe. Mit kühler Hand befühlte sie Bunks Stirn und nickte dann zufrieden. »Iss. Je schneller du auf die Beine kommst, desto besser für uns alle.«
    Bunk bekam in der Nacht kein Auge zu. Bei jedem Geräusch schreckte sie auf und griff nach der Mistforke, die sie heimlich seitlich neben ihrem Strohsack platziert hatte. Tief in derNacht drang vom Haupthaus Geschrei zu ihr herüber. Mühsam stemmte sie sich hoch und schlich in eine Pferdebox, um Wasser zu lassen. Doch niemand kam in den Stall. Als sie eine Weile an der Wand der Pferdebox gelehnt hatte, ließ der Schwindel etwas nach.
    Sie musste weg. Sie konnte es nicht riskieren, dass Rosi sie verriet. So schnell es ging, schnürte sie ihre Habseligkeiten zu einem kleinen

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