Schandweib
Dieser war ein maßgefertigtes Meisterwerk aus weichgegerbtem Ziegenleder und erlaubte es Bunk dank einer speziellen Vorrichtung endlich, auch in Gegenwart anderer Männer lässig im Stehen zu urinieren. Ein Geschenk neuer, ungeahnter Freiheit bedeutete diese Konstruktion in Bunks Leben als Mann. Von einer befreundeten Hebamme besorgte Emilie einen Kräutersud, der Bunks Regelblutung nahezu zum Erliegen brachte,sodass auch diese Unbill weitestgehend aus ihrem Leben wich. Emilie lehrte sie aber nicht nur, das Gemächt mit Geschick und Würde zu tragen, sondern auch, es zur Beglückung der Frauen einzusetzen. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Als erfahrene Hure wusste sie, wie wichtig vielfältige Erlebnisse waren. So ließ sie Bunk ihr neues Gemächt an den Mädchen ausprobieren und zugleich auf den Geschmack an Frauen kommen, die ihre wahre Identität nicht einmal erahnten.
Der Winter war mild, entsprechend gut liefen die Geschäfte. Bunk hatte sich schnell an das Leben in der nahezu familiären Atmosphäre gewöhnt. Nur selten kam es zu Streit mit den Freiern. Einmal hatten sie einem dänischen Soldaten seinen Uniformrock als Pfand abgenommen, als sich sein Gulden nach einer langen Nacht als falsch herausstellte. Madame Emilie hatte in ihrer Kammer eine schwere Truhe, in der sie die Pfandstücke der säumigen Zahler sorgsam verwahrte. Schließlich wollte sie sich nicht des Diebstahls beschuldigen lassen. Aber nur selten kam ein Freier zurück, um sein Pfand einzulösen. So besaß sie inzwischen eine kleine Sammlung an handgeschnitzten Pfeifen, mehrere Messer, zwei Paar Stiefel, sogar drei Paar Hosen und als jüngstes Pfand jenen dänischen Uniformrock. Als Bunk ihn dem trunkenen Schuldner abnahm, ahnte sie noch nicht, dass er der Schlüssel für ihr weiteres Schicksal sein sollte.
An einem verregneten Märzabend schlug das Schicksal zu. Madame Emilies stilles Haus fiel einer Polizeirazzia zum Opfer. Um zehn Uhr abends, die Mädchen waren allesamt in ihren Kammern bei der Arbeit, stürmten sieben Mann der Amsterdamer Polizei das kleine windschiefe Holzhaus und zerrten alle Insassen auf die regennasse Straße hinaus. Bunk hatte Glück. Sie war im Spielhaus De Zoete Inval an der Geldersekade zurückgeblieben, um noch eine Runde mit ein paar Zechkumpanen zutrinken. Schon kurz nach zehn erreichte die schlechte Nachricht das Spielhaus und trieb so manchen Gast eiligst nach Hause.
Bunk wusste nicht wohin. Die halbe Nacht schlich sie durch die Straßen und überlegte, was zu tun sei. Madame Emilie war nicht zum ersten Mal in die Hände der Polizei geraten, darum war kaum damit zu rechnen, dass sie mit einer einfachen Ermahnung davonkäme. Vielmehr musste man mit der Einlieferung ins Spinnhaus rechnen. Geschähe das, so würde es nicht lange dauern, bis gierige Neider Emilies stilles Haus ausplünderten bis auf den letzten Fetzen. Bunk würde es kaum gegen sie verteidigen können, denn für eine ernsthaft handfeste Auseinandersetzung fehlte es ihr an Kraft. So entschied sie sich, die Flucht nach vorn anzutreten und sich als Erste bei ihrer Gönnerin zu bedienen. In den frühen Morgenstunden schlich sie unbemerkt ins Haus und nahm sich aus der Pfandtruhe den dänischen Uniformrock, ein paar Stiefel und ein schön geschnitztes Klappmesser mit einer gut zehn Zentimeter langen Klinge. Dann verließ sie das Haus ihrer Lehrmeisterin mit einem Gefühl aus Dankbarkeit und Scham, wissend, dass nun ihre Lehrzeit beendet war.
19
W rangel griff nach dem Bierkrug, um die Trockenheit aus seiner Kehle zu vertreiben. Er mochte kaum glauben, was er soeben gehört hatte. Über den Rand des Kruges hinweg musterte er erneut Bunk. Sie war seine Mandantin. Er musste dieses Weib verteidigen, ganz gleich, welche Schande sie auf sich geladen hatte. Nach einem weiteren Schluck stellte er den Krug mit kräftigem Schwung auf den Tisch und hoffte, dass seine Stimme nicht seine innere Verfassung erahnen lassen würde.
»Offenbar bist du der Polizei entkommen. Wie hast du das geschafft?«
»Ich lief nach Haarlem. Von dort schiffte ich mich nach Glückstadt ein. Von einigen Soldaten hatte ich gehört, dass die dortige dänische Garnison immer auf der Suche nach Soldaten war, um die Fieberverluste des Sommers auszugleichen.«
»Du wurdest dänischer Soldat?« Wrangel schaute ungläubig auf das vor ihm hockende Weib.
»Ja. Schließlich bin ich das Kind eines Dragoners. Ich bin unter Soldaten aufgewachsen. Das Soldatenleben ist mir vertraut.« Bunk
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