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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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nahm einen Schluck Bier und wischte sich mit dem schmutzigen Ärmel ihres Hemdes den Schaum vom Mund. »Außerdem brauchte ich nach den Monaten im Hurenhaus eine Abwechslung. Die Glückstädter Garnison bot sie mir.«
    »Wann bist du dort angemustert worden?«
    »Im Frühling war es, kurz vor der Karwoche. Es war eine gute Zeit. Ich bewohnte eine kleine Dachkammer in der Stadt, weil die Schlafplätze in der Garnison bei weitem nicht für alle Soldaten reichten. So war ich für mich und hatte meine Ruhe.«
    »Und der Dienst? Ist denn niemandem etwas aufgefallen?«
    Bunk grinste schief. »Ich war ein guter Soldat. Der Dienst und die Exerzierübungen stählten meinen Körper. Endlich führte ich das Leben, von dem ich schon als Kind geträumt hatte. Wäre es nach mir gegangen, so hätte das Leben so weitergehen können.«
    Wrangel hielt seinen leeren Bierkrug mit beiden Händen fest. Von der nahen Turmuhr schlug es die zweite Stunde. Er musste zurück ins Niedergericht, die Mittagszeit war um, und Prätor Wilken hatte für den Nachmittag noch drei Fälle angesetzt. Aber er konnte nicht einen klaren Gedanken fassen. Bunks Geschichte war unglaublich und doch glaubhaft, dachte er an das, was er in der Literatur über solche Frauen gelesen hatte. Aber was hatte ererwartet, als er sie nach ihrem Leben fragte? Er wusste es selbst nicht. Und jetzt, da er ahnte, was für ein Mannweib er da vor sich sitzen hatte, wusste er noch weniger mit ihr umzugehen. Es verwirrte ihn, mit welcher Schamlosigkeit Bunk von all diesen Dingen sprach. Aber unmöglich konnte er all das selbst über die Lippen bringen, um es dem Prätor zu erläutern. Eine abgespeckte Version musste für ihn reichen, wollte Wrangel nicht aus Scham vor diesen Dingen selbst im Boden versinken.
    »Ich bin sicher, deine Geschichte gibt genug her, um die erfragten Umstände deines Lebens zu erläutern. Wenn ich noch Fragen habe, komme ich wieder.«
    »Und was geschieht nun weiter mit mir?«
    »Der Prätor will eine schriftliche Erklärung zu deiner Person, um zu beurteilen, wie du mit deiner Darstellung der Dinge zu den bisher vorgetragenen Fakten stehst. Ich werde sie für dich ausarbeiten. Wie gesagt: Wenn ich noch weitere Fragen habe, komme ich wieder.«
    Damit erhob sich Wrangel und rief den Knecht herbei, um Bunk zurück ins Verlies führen zu lassen. Die warf Jürgen einen verächtlichen Blick zu.
    In der Tür drehte sich Wrangel um. »Wo ist der Gurt geblieben, den du in Amsterdam bekommen hast?«
    »Er wurde mir bei einer Schlägerei abgenommen.«
    »Bei einer Schlägerei? Wie das?«
    »Na, eben so. Nach einem heftigen Saufgelage in der Garnison kam es zu einer Rauferei. Drei Kerle hielten mich fest und rissen mir die Kleider vom Leib, um mich in den Stadtgraben zu werfen. Dabei ist es passiert.«
    »Was, einfach so?«
    »Nein, ich flog aus der Armee. Aber ich hatte Glück, und man ersparte mir den Staupebesen.«
    »Und dann?«
    »Ich hatte die Wahl, die Stadt zu verlassen oder ins Spinnhaus zu gehen. Ich verließ Glückstadt und schiffte mich nach Hamburg ein.«
    »Als Mann?«
    »Nein, man gab mir nur ein altes Kleid, um meine Nacktheit zu bedecken. Den Rest behielten sie dort. Auch den Gurt.«
    »Das ist ein Jammer.«
    »Warum? Wolltet Ihr ihn haben?«, grinste Bunk Wrangel verschlagen an.
    »Nein, aber sicherlich das Niedergericht, um bewiesen zu bekommen, dass du nicht mit Hilfe von Hexerei die Frauen begattet hast, sondern mit jenem ledernen Membrum. Den greifbaren Dingen glaubt man eben mehr als nur den Worten.« Damit ließ er Bunk sitzen und verließ die Frohnerei.

Mittwoch, 10. November 1701
20
    G roßer Gott, das ist wahrlich eine weitaus wüstere Geschichte als jene, die sich in der Literatur so finden, Wrangel.« Vikar Claussen und Wrangel saßen bereits bei der zweiten Tasse Kaffee auf ihrem Stammplatz im Kaffeehaus am Kattrepel. »Was habt Ihr doch für einen reichen Beruf. Noch vor zwei Wochen wolltet Ihr kaum wahrhaben, dass fleischliche Lust unter Frauen kein Novum ist, und jetzt weiht Ihr mich bereits in die technischen Details des Aktes ein.« Mit einem schelmischen Grinsen nahm Claussen einen Schluck Kaffee.
    »Nicht ohne Grund tat ich das, mein lieber Claussen. Gerade die Technik könnte die Frau vor Schlimmerem bewahren. Ihr hättet die aufgebrachte Menge bei der Zeugenvernehmung erleben sollen. Mit geiferndem Maul haben sie das Weib als Zauberin und Hexe beschrien. Es fehlte nicht viel und sie hätten sie am liebsten an Ort und Stelle in

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